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#ONLIFE

Flirtprofil: optimiert

Quelle: jungagiert e.V.

Gustav, 31 Jahre

#fahrradfahrer #tofudresseur #röstzwiebelkoch

Wie man bei Flirt-Apps das Maximum aus sich herausholt? Gustav hat sich von Gurus coachen lassen.

Flirt-Apps gibt es wie Sand am Meer. Bislang bin ich das Knüpfen neuer Bekanntschaften immer betont lässig angegangen, deshalb ist das Business für mich neu und ich muss mich erstmal für eine App entscheiden. Ich nehme die, bei der ich Frauen (und Männer) nach links wische, wenn mir das Foto gefällt – und nach rechts, wenn nicht.

Der Gedanke ist mir fremd, ich gehe ja auch nicht auf Partys und schubse Frauen, die mir nicht gefallen, aber gut. Ich will wissen, welche Tricks ich anwenden muss, um attraktiver zu wirken und einen schnellen Flirt-Fang zu machen. Darauf bin ich nicht selbst gekommen. Eine Firma in München hat mir angeboten, mich zu coachen – gegen Geld. Da konnte ich nicht Nein sagen.

Die Vorbereitung

Mit meinen „Gurus“, wie sich die Flirt-Profis nennen, vereinbare ich eine Testwoche. Ich erstelle ein Profil, wie ich es für richtig halte, und wische drauflos. Es kommt mir vor, als würde ich da Vieh nach Eutergröße beurteilen. Mein Moralbewusstsein kotzt. Dennoch: Mein Profil kommt an.

Offenkundig wirke ich schon unheimlich attraktiv? Sechs Matches in zwei Tagen. Ich bin gespannt, was meine Gurus da noch pimpen wollen. Mir steht das Wasser in den Augen, weil ich das Geld schon überwiesen habe. Egal. Ich werde sie knallhart mit Fragen löchern und muss natürlich auch den Matches investigativ nachgehen. Meine Freunde vernachlässige ich während dieses Experiments. Sie freuen sich, wenn ich nicht aufgebe.

Zwischenbilanz

In der Liste erscheinen Frauen, die mir auf den ersten flüchtigen Blick gefallen haben – und denen ich zu gefallen scheine. Es sind vierzehn nach der ersten Woche. Ob sie ernsthaft interessiert sind, weiß ich nicht. Ich erfahre es auch erstmal nicht, weil ich keinen Antrieb habe, sie anzuschreiben. Was soll ich da denn schreiben? Die Situation ist mir viel zu künstlich, zu oberflächlich.

Dieser Eindruck sei normal, schreibt Matthias*, einer von den Gurus. Er sagt, dass viele Männerprofile oberflächlich wirken und nicht mehr zu bieten haben als Muskelfotos und geklaute Pick-up-Sprüche. „Das kann ich aber verstehen“, schreibt er. Die Flirt-App sei „sicherlich eine der schnellsten Arten der natürlichen Partnerselektion in unserer Zeit. Da man nur wenige Augenblicke hat, in denen man die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts auf sich ziehen kann, ist es notwendig, sich in kürzester Zeit bestmöglich zu vermarkten.“

Die meisten dieser Muskelprotze suchten nicht die Liebe ihres Lebens sondern schnellen Sex. Dafür reiche ein oberflächliches Profil. Denn: „Sie schaffen es, ihre Zielgruppe – einfach gestrickte Frauen – im Bruchteil einer Sekunde auf sich aufmerksam zu machen.“

Das ist nicht meine Welt. Matthias traut mir zum Glück mehr zu: „In deinem Fall – du wirkst auf mich eher intellektueller Natur – würde ich dir empfehlen, dich mit interessanten Hobbys und aufregenden Reisebildern zu schmücken.“ Das erhöhe meinen Wert, mache mich interessanter und geheimnisvoller. „Frauen lieben Geheimnisse und Männer, die es verstehen, ein aufregendes und selbstbestimmtes Leben zu führen“, so Matthias.

Harte Arbeit

Bevor ich manipuliere, muss ich wissen, worauf ich hinauswill. Was für einen Menschen möchte ich kennenlernen? Wie alt ist der Mensch in etwa? Was möchte ich von ihm: One Night Stands, Affären oder eine feste Beziehung? Und was sind meine eigenen „bemerkenswertesten Eigenschaften“? Was macht mich interessant?

Matthias schreibt wieder. Und dieser Typ hat mich durchleuchtet, aber wie: „Wir bauen dein Leben geschickt in dein Profil ein.“ Es folgt eine Reihe von Tipps. Sie beziehen sich zunächst einmal auf meine Bilder. Als erstes Bild nutze ich ein frontales Profilbild, auf dem ich ungestellt lache; ich bin gerade im Urlaub. „Super!“, schreibt Matthias, auch „dein Bart steht dir wunderbar. Ich würde jedoch das rot aus den Backen und aus deinem Gesicht etwas herausnehmen.“ An den Augenringen könnte ich auch noch arbeiten. Fake it!

Ein weiteres Bild zeigt mich, einen Shot trinkend, mit einer Freundin auf einer Wiese. Blauer Himmel. Ehrlicher Gesichtsausdruck. Spaß. Es „unterstreicht dein spannendes Sozialleben und Frauen fühlen sich davon sehr angezogen. Noch besser sei ein Foto im professionellen Kontext, wie ich am PC sitze und Texte schreibe, lässig gekleidet. „Show yourself being excellent in what you do!“ Übertreiben soll ich es mit den Bildern aber nicht. Drei, vier gut ausgewählte würden reichen. Gefällt mir!

In meiner App kann ich auch noch eine sogenannte Tag-Line einfügen, einen flotten Spruch, der Aufmerksamkeit bündeln soll. Vorher hatte ich einfach einen kopiert, den ich ganz witzig fand: „Wir erzählen unseren Kindern einfach, wir hätten uns im Supermarkt kennengelernt.“

Matthias hat Größeres mit mir vor. Ich soll persönlich werden – und romantisch. Was sind meine Leidenschaften, poetisch formuliert und als Dreiklang komponiert? Meine Leidenschaften: die Parallele zwischen Leben und Bühne, die Musik, der Journalismus.“ Damit sollte ich, Matthias zufolge, bei beinahe jeder Frau Neugierde erwecken: „Es trägt nicht dick auf und gibt die perfekten Möglichkeiten für ein Gespräch. Gleichzeitig zeichnet es ein sehr authentisches Bild von dir.“ Okay. Ich folge seinem Rat – formuliere meine passions auf Englisch, weil ich oft unterwegs bin. Und finde sehr wohl, dass es dick aufträgt.

Ein weiterer heißer Tipp: „Fast alle Frauen werden dich vorher im Internet „stalken“. Bei dir findet sich sehr viel unter deinem Namen und das ist auch sehr gut. Das Image, das du in der App von dir zeichnest, sollte also auch in den anderen Medien wie Facebook ersichtlich sein. Einer der ersten Schritte hierzu ist, deine Jugendbilder ohne Bart von Facebook zu entfernen.“ Na toll! Ich ändere Matthias zuliebe die Einstellungen, dass nur noch meine Freunde die alten Bilder sehen können.

Dann komme ich endlich zur „Opening Line“. Nina, eine meiner ersten Matches, steht auf ihrem Bild vor dem Brandenburger Tor und hat eine Wollmütze auf. Ich soll ihr schreiben: „Hallo Nina! Wie verbringst du diesen schönen Tag?“ Oder Anna, sie liegt lachend auf einem Haufen Laub: „Hallo Anna! Was für ein schönes Bild in den Herbstblättern! Wie ist es entstanden?“

Warum, Matthias, so und nicht anders? „Natürlich und echt. Die Art von Frau, die du möchtest und die fürdDich geeignet ist, wird deine Natürlichkeit lieben. Vermeide Smileys, verwende den Namen der Frau und beziehe dich auf etwas Aktuelles wie das Wetter oder auf ihr Profilbild. Rede mit ihr so, wie mit einem Freund, den du schon lang kennst. Frage viel, lass sie viel erzählen und gib ihr ein Gefühl von Bedeutsamkeit.“

Die praktische Umsetzung

Ich habe mich an die meisten von Matthias‘ Hinweisen gehalten und fühle mich unwohl, weil ich mich an einigen Stellen verstellt habe. Ehrlichkeit und Authentizität sind mir wichtig. Nina hat nicht geantwortet, Anna hat geantwortet – zwei Worte: „netter Versuch!“ Ich muss laut lachen. Das passiert also, wenn man sich von seiner eigenen Persönlichkeit entfernt und Verknalltsein in professionelle Hände abgibt.

Mit Josephine klappt es schließlich. Ich befolge den Rat von meinem Guru und lade sie in ein schönes Kaffeehaus ein. Am späten Nachmittag. Dies hat zwei Vorteile: „Zum einen könnt ihr euch gut unterhalten und euch besser kennenlernen. Zum anderen kannst du das Treffen kurz halten, sollte sie nicht Deinen Vorstellungen entsprechen. Oder du dehnst es auf einen Spaziergang oder ein gemeinsames Kochen bei Dir zu Hause aus, sollte sie Deine Traumfrau sein.“

Josephine ist nicht meine Traumfrau. Trotzdem ist sie ein sehr sympathischer Mensch. Sie lacht viel, das hätte ich aus den Informationen in der App nicht herauslesen können. Es dauert keine zehn Minuten, da erzähle ich ihr von meinem Experiment. Keine Sorge, Josephine, hier sind keine versteckten Kameras! Sie sagt, sie schätze meine Ehrlichkeit. Dass es mir wehtut, Menschen wegzuwischen. Dass ich nicht auf meinen Guru höre, sondern meiner Persönlichkeit treu bleibe. Josephine hätte die Chance, zu gehen. Wir sitzen ein paar Stunden und unterhalten uns über das Leben. In echt.

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