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Was ist Islam, was ist Islamismus?

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Redaktion

Es gibt weltweit rund 1,7 Milliarden Menschen, die an Allah und Mohammed als seinen letztgültigen Propheten glauben. Doch wie bei jeder Religion gibt es auch im Islam unterschiedliche Glaubensrichtungen. Einige davon führen leider im Extremfall zu Gewalt und Unterdrückung.

 

„Allāhu akbar!“ – vielleicht kennt ihr diesen Ausruf. Es ist der Schlachtruf, den praktisch jeder Selbstmordattentäter benutzt, bevor er sich und andere in die Luft sprengt. Viele Menschen verbinden ihn deshalb mit schrecklichen Bildern. „Allāhu akbar!“ sind aber auch die ersten beiden Worte des Adhān. Fünf mal am Tag erklingt der Adhān von zigtausenden Minaretten in aller Welt und ruft alle Muslime in Hörweite zum Gebet. Eine ganz friedliche Sache also. Zwei Worte, die sich eigentlich ganz einfach übersetzen lassen – nämlich mit „Gott ist groß!“ – können ganz unterschiedlich verstanden werden. Entweder als Aufruf zum Jihad (also zum „heiligen Krieg“) oder zur inneren Einkehr, zur Hinwendung zu Gott.

Wir merken: Religionen sind komplex. Für die meisten Muslime ist der Islam einfach „nur“ ihre Religion, die ihnen vorgibt, wie sie leben. Für manche Menschen, die sich als Muslime bezeichnen, steht der Islam über allem und jeder, der das anders sieht, gilt als Feind. Sie berufen sich dabei auf einzelne Stellen des Korans und blenden andere vollkommen aus – doch dazu später.

Muslime in Deutschland

Vorerst ein paar Zahlen: Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge leben rund fünf Millionen Muslime in Deutschland (insgesamt 83 Millionen Einwohner). Die Studie mit dem Stand Dezember 2015 ist die umfangreichste, die es aktuell dazu gibt. Die Zahlen schwanken, ein Verzeichnis beispielweise, in dem Muslime registriert sind, gibt es nicht. Rund 27.000 Muslime in Deutschland gelten laut Verfassungsschutz als potenziell gewaltbereite Islamisten (2018). Damit sind sie also innerhalb der muslimischen Community eine kleine Minderheit.

Welchen Zusammenhang gibt es nun zwischen Islam und Islamismus? Versuchen wir mal, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Dafür ist vorher hilfreich zu wissen, wie alles begann. Hier ein kleiner geschichtlicher Abriss zur Entwicklung des Islam.

Den Islam gibt es nicht seit dem Urknall, er entstand im 7. Jahrhundert n. Chr. Die ersten 200 Jahre seiner Existenz waren allerdings ziemlich rasant. Der Prophet Mohammed erfährt, so die Überlieferung im Koran, ungefähr im Jahre 610 die erste Offenbarung Gottes in Gestalt des Engels Gabriel. Weitere Offenbarungen folgen, später werden sie im Koran zusammengefasst. Darin geht es um alles Mögliche, von sozialen Regeln über den Umgang zwischen Männer und Frauen, den Wucherzins, Glücksspiel, Alkohol bis hin zum Händewaschen nach dem Sex.

In den folgenden zwölf Jahren gelang es Mohammed, die Menschen in seiner Heimat von seinen Lehren zu überzeugen. Die dort lebenden und vorher zerstrittenen Stämme sind nun geeint und folgen seiner Religion, dem Islam. Doch schon kurz nach dem Tod des Propheten im Jahre 632 gab es Ärger. Denn Mohammeds Erben waren von Anfang an zerstritten. Einige sahen im Cousin des Propheten, Ali, dessen einzigen wahren Nachfolger. Sie spalteten sich von der Mehrheit der Muslime ab und entwickelten ihre eigene Form des Islam. Die Anhänger dieser Richtung nennt man Schiiten. Die große Mehrheit der Muslime, nämlich 80 bis 90 Prozent, heißen Sunniten. Neben den Sunniten und Schiiten gibt es heute noch einige andere Glaubensrichtungen des Islam.

Mohammeds Nachfolger legten auch ein ziemliches Tempo vor: In den 100 Jahren nach seinem Tod erobern muslimische Herrscher im Westen ganz Nordafrika und Spanien, im Osten den heutigen Irak, Iran, Syrien und Afghanistan. In Europa herrschte finsteres Mittelalter, die muslimische Welt war hingegen zu jener Zeit der Gipfel der Zivilisation. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Wissenschaft, Musik und Literatur erlebten eine Blüte. Angehörige anderer Religionen wie Christen und Juden wurden von den muslimischen Herrschern meist toleriert.

Ziel: Gottesstaat

Wer sind jetzt aber diese Islamisten, von denen alle immer reden? Innerhalb des sunnitischen Islam gibt es einige extreme Strömungen, die jede Form von Modernisierung (theoretisch) ablehnen und sich als Verfechter eines „unverfälschten“ Glaubens wie zu Zeiten Mohammeds sehen. Ziel der Islamisten ist die vollständige Umgestaltung von Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach ihren Regeln und am Ende die Errichtung eines „Gottesstaates“ – zum Teil auch mit moderner Technik, Gewalt und hochentwickelten Waffen. Islamisten beziehen sich ausschließlich auf den genauen Wortlaut des Koran. Das bringt sie allerdings – eigentlich – in eine verzwickte Lage, denn im Koran stehen ziemlich viele Dinge, die auch als Widerspruch verstanden werden können. Sehr eindeutig sind die Aussagen meistens nicht, denn der Koran ist im Original in einer sehr altertümlichen, schwer zu deutenden Sprache geschrieben.

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Einige Beispiele gefällig?

In Sure 9:30 heißt es zum Beispiel: „Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und an den Jüngsten Tag glauben, und nicht verbieten, was Allah und sein Gesandter verboten haben, und die nicht dem wahren Glauben folgen …“ Das kann man als Aufruf zum Jihad, zum Krieg gegen alle „Ungläubigen“, verstehen und dazu, so viele wie möglich von ihnen umzubringen. Andererseits heißt es aber in Sure 2:256 „es soll kein Zwang sein im Glauben“ und in Sure 5:32 „wenn jemand einen Menschen tötet (…) so soll es sein, als hatte er die ganze Menschheit getötet“. Was nun?

Einige Suren scheinen zu sagen, dass Mann und Frau nicht gleichberechtigt sind. So heißt es in Sure 4:34: „Die Männer sind die Verantwortlichen über die Frauen, weil Allah die einen vor den andern ausgezeichnet hat.“

Andererseits ist in den heiligen Schriften von vielen Dingen die Rede, in denen Mann und Frau gleichberechtigt sind. So darf sich auch eine Frau zum Beispiel sehr wohl von ihrem Mann trennen und ist „in Güte von ihm zu entlassen“ (Sure 2:229).

Und in einer Hadith – also einem überlieferten Ausspruch des Propheten – heißt es: „Das Streben nach Wissen ist eine Pflicht für jeden Muslim, Mann oder Frau“. Dennoch finden manche konservative Muslime Bildung für Frauen und die Trennung von ihren Männern extrem verwerflich.

Die Frauen Mohammeds selbst waren übrigens ziemlich emanzipiert. Seine erste Ehefrau Khadidscha war eine erfolgreiche Geschäftsfrau – und seine Chefin, als sie sich kennenlernten. Und – fun fact – sie machte später ihm den Heiratsantrag und nicht umgekehrt. Auch Aischa, die jüngste Frau des Propheten, soll ziemlich selbstbewusst gewesen sein, heißt es in den Überlieferungen. Nach seinem Tode mischte sie in politischen Auseinandersetzungen kräftig mit.

Der heilige Krieg

Noch mal zurück zum Jihad. Schon der Begriff ist nicht eindeutig. Meist wird er als Ausdruck für den blutigen Kampf gebraucht, um einen islamistischen Gottesstaat zu errichten. Im Koran bedeutet Jihad aber vor allem das friedliche spirituelle Bemühen jedes einzelnen Gläubigen um das richtige religiöse und moralische Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen.

Und nun? Es ist und bleibt kompliziert, wenn es um den „richtigen“ Glauben geht. Aber es hilft auf jeden Fall, den Argumenten der einen Seite nicht blind zu glauben. Man sollte auch die Argumente der anderen Seite betrachten. Wenn euch jemand sagt, „es steht aber so und so im heiligen Koran geschrieben“, dann ist das nicht zwangsläufig ein ewiges Gesetz, denn unter Umständen steht im Koran auch irgendwo das Gegenteil.

 

 

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