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Ich glaube, was ich will!

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Redaktion

Wer erwartet, dass ihm ein Vorbild, ein Buch, Freunde oder eine Religion alle Antworten auf alle Fragen liefern kann, der täuscht sich möglicherweise. Denn das wäre zu einfach. Wir fassen allerdings für euch zusammen, welche Fragen ihr euch beantworten müsst, wenn ihr selbst die Macht über eure Entscheidungen übernehmen wollt. Get the power!

 

Jeder kann glauben, an wen oder was er will. Steht so auch in unserem Grundgesetz. „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“, heißt es dort in Artikel 4. In der Praxis steht dabei Gott auf der Hitliste ziemlich weit vorn, auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Laut Shell-Studie (2018) glaubt ein Drittel der 12- bis 25-Jährigen in Deutschland an Gott.

Klar, das waren schon mal mehr. In früheren Zeiten war Gott (egal, ob in der jüdischen, christlichen oder muslimischen Ausführung) die einzige unabhängige Instanz, die sagte, wo es langgeht. Religionen gaben – und geben – unter anderem vor, was richtig oder falsch ist, welche Regeln zu beachten sind. Sie bilden das moralische Grundgerüst, nach dem die Gläubigen sich richten.

Alles nicht so eindeutig

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Allerdings sind Religionen und ihre Schriften nicht immer eindeutig. Auch wenn beispielsweise die Bibel oder der Koran ziemlich dicke Bücher sind, haben sie nicht unbedingt die Antwort auf alle Fragen dieser Welt. Dazu kommt: Die Aussagen darin sind mitunter schwer verständlich und bisweilen widersprüchlich. Was sie konkret zu bedeuten haben, ist oft Auslegungssache.

An keiner Stelle der Bibel oder des Korans sagt Gott „Gehe hin und bring so viele Menschen um wie möglich!“ Trotzdem passiert und passierte genau das immer wieder – weil manche Menschen in dem Glauben sind, in dieser oder jener Stelle in den heiligen Schriften habe Gott genau das eigentlich gemeint. Deshalb haben diese Menschen Kreuzzüge gestartet und zigtausende vermeintliche Hexen umgebracht, sie sind mit Flugzeugen in Hochhäuser geflogen und töten bei Terroranschlägen andere unschuldige Menschen.

 

Dass es zu solchen Grausamkeiten im Namen der Religion kommen kann, beruht auf drei simplen Prinzipien, die eigentlich leicht zu durchschauen sind:

Eine Person oder eine Gruppe von Personen behauptet, etwas sei Gottes Wille, denn es stehe dort und dort in der heiligen Schrift. Wenn man dann aber nachschlägt, steht das da meist nicht so eindeutig. Religiöse Hardliner sagen dann, dass man es so und so verstehen müsse. Dabei verschweigen sie gern, dass an anderen Stellen der heiligen Schrift möglicherweise praktisch das Gegenteil steht. Trotzdem hält so manche*r diese religiösen Fanatiker*innen für glaubwürdig. Sie haben die heiligen Schriften schließlich jahrelang studiert – behaupten sie zumindest – im Unterschied zu den meisten „normalen Menschen“, die sich mit ihren alltäglichen Problemen beschäftigen und ihr Leben auf die Reihe kriegen müssen. Man nennt diesen Mechanismus Autoritätsgläubigkeit und mit dem Glauben an Gott hat das nichts zu tun: Wir neigen dazu, uns jemandem, der vermeintlich über uns steht, unterzuordnen. Genau so funktionieren übrigens auch Diktaturen: Ein Führer befiehlt, das Volk folgt.

Es ist immer ziemlich praktisch, wenn es einen Feind gibt. Jemanden, der an allem, was schiefläuft, schuld ist – die „Ungläubigen“ zum Beispiel. Die gilt es dann zu bekämpfen, bis die Welt wieder in Ordnung ist. Solche Feindbilder sind auch psychologisch praktisch: Da die anderen böse oder minderwertig sind, wird alles für okay erklärt, was gegen sie gerichtet ist, am Ende auch die größten Grausamkeiten. Was die Feindbilder betrifft, befinden sich religiöse Fanatiker ebenfalls in guter Gesellschaft von Diktatoren und anderen Extremisten. Nur dass die Feinde bei denen andere sind: Ausländer/innen, Linke, Rechte, das Großkapital, die „jüdische Weltverschwörung“.

Um ihre Ziele zu erreichen, entwerfen religiöse Extremisten gern ein sehr einfaches Bild von einer idealen, unkomplizierten Welt. Auch das haben sie mit politischen Extremisten gemeinsam, nur dass die keinen Gottesstaat errichten wollen, sondern die „Herrschaft des Volkes“ oder einen völkisch-nationalistischen Staat. Aber „das Volk“ gibt es nicht, eine Gemeinschaft ohne Widersprüche gibt es nicht. Das Märchen von der idealen Welt, in der alle das Gleiche wollen, ist und bleibt eine Wunschvorstellung. Auch wenn das so schön einfach wäre. Dieser Weg führt in die Katastrophe, dafür gibt es in der Geschichte genug Beispiele.

Es ist nun mal leider so: Die Welt ist kompliziert. Die Frage nach einer gerechten, lebenswerten Gesellschaft ist kompliziert. Auch viele Fragen der Religion sind kompliziert. Und ja, es gibt auch viele Antworten auf all diese Fragen. Aber welche kann man wirklich glauben, wem vertrauen? Das musst du selbst rausfinden. Der Weg dahin heißt Self-Empowerment.

 

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Self-Empowerment – was soll das denn sein? Der Begriff bedeutet so viel wie Selbstermächtigung und beschreibt einen Prozess, in dem man zu seiner eigenen „Power“ findet. Das ist besonders in Situationen wichtig, in denen man sich benachteiligt fühlt oder diskriminiert wird, wenn andere einem sagen, was man zu tun und zu lassen hat, wenn man sich machtlos und alleingelassen fühlt, wenn man nicht weiß, was richtig und was falsch ist. Self-Empowerment bedeutet, dass man von der eigenen Schwäche zur eigenen Stärke findet. Aber wie funktioniert das? Am Anfang stehen drei Fragen:

1. Wer hat die Macht?

Es steckt schon im Wort: Selbstermächtigung führt dazu, dass du die Macht übernimmst – und zwar nicht über andere, sondern über dich selbst, über dein Leben. Was hindert dich daran? Da gibt es mehr Dinge, als man denkt. Die Gesellschaft, die Familie, Freunde, die Glaubensbrüder und -schwestern – sie alle wollen dir sagen, wo es langgeht, was richtig und was falsch ist. Damit haben sie Macht über dich, denn wenn du aus der Reihe tanzt, gibt es auch mal Stress. Der erste Schritt ist, all diese Ansprüche zu erkennen – und zu schauen, was die (fremde) Macht mit dir macht.

2. Was ist „die Wahrheit“?

Der zweite Schritt ist: Hinterfrage die Dinge! Wer sagt denn, dass irgendeine Sache gut ist, nur weil andere das behaupten oder weil es schon immer so ist? Kann es nicht genauso gut sein, dass es genau anders herum ist? Denke darüber nach, schau was die Gegenposition ist und versuche dir vorzustellen, was genau das bedeuten würde und was die Folgen wären. Und wenn jemand behauptet „Aber Gott oder sein Prophet sagt …!“ dann versuche herauszufinden, ob das überhaupt stimmt. Was genau hat Gott gesagt und wo steht das? Was genau meint der Prophet und hat er vielleicht an anderer Stelle noch etwas ganz anderes gesagt?

3. Welcher ist der richtige Weg?

Wenn du die vermeintlichen „Wahrheiten“, von allen Seiten betrachtet hast, versuche herauszufinden, wie du darauf reagieren kannst. Es gibt immer mindestens zwei mögliche Wege, meistens sogar mehr. Um rauszufinden, welcher der richtige für dich ist, gibt es zwei ganz wichtige Aspekte: Der Weg sollte sich für dich selbst gut anfühlen und niemals dazu führen, jemand anderem zu schaden. Wenn du festgestellt hast, welchen Weg du einschlagen willst, kommt das Schwierigste: Du musst ihn auch gehen. Dabei wird es 1.000 Hindernisse geben und Menschen, die dir sagen, dass es der falsche ist. Und vielleicht stimmt das sogar. Aber auch unterwegs immer wieder Fragen zu stellen – und vielleicht sogar die Richtung nochmal zu ändern – ist ebenfalls erlaubt.

 

Wenn du Hass und Diskriminierung beobachtest, kannst du das zum Beispiel hier online melden. Das Portal ist ein Angebot von jugendschutz.net, das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet.

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