Quelle: Pexels/João Vítor Heinrichs
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Arzneipflanzen bis Zuckerrüben

Quelle: Julia Dolinsky

Julia Dolinsky, 23 Jahre

Quelle: Pexels/Cup of Couple
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Bitte nicht wegwerfen

Quelle: Antonia Tebbe

Antonia Tebbe, 23 Jahre

Quelle: Pexels/Tara Winstead
#wächstwieder

Der Startup mit Sinn und Suppenschüsseln

Quelle: Christina Juchem

Christina Juchem, 29 Jahre

Raphael Stäbler ist dreifacher Vater und Unternehmensgründer. Auf der vergeblichen Suche nach nachhaltigen Produkten für die Küche, beschloss er kurzerhand, seine eigenen zu entwickeln. Das Porträt eines Unternehmens, das aus Pflanzen Schüsseln wachsen lässt.

Wenn es um Startups geht, denken die meisten Menschen an große Metropolen wie San Francisco, London oder New York. Von Filderstadt ist wohl kaum die Rede. Dennoch ist diese südlich von Stuttgart gelegene Stadt mit rund 46.000 Einwohner*innen Sitz der 4e solutions GmbH, einem kleinen Unternehmen, das unter der Marke „ajaa“ Küchenutensilien produziert. Von Brotboxen über Teller und Besteck bis hin zu Trinkflaschen bietet das Unternehmen eine Vielzahl von Utensilien an. Das Besondere: Sie bestehen im Wesentlichen aus nachwachsenden Rohstoffen, in diesem Fall aus Zuckerrohrsaft, angereichert mit Mineralien. Produziert wird alles in Deutschland.

Raphael Stäbler ist Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens, welches er nach seinem Wirtschaftsingenieurstudium gegründet hat. Die Idee: eine nachhaltige Alternative für erdölbasierten Kunststoff zu entwickeln. Denn Erdöl ist auf unserem Planeten begrenzt; es schadet Klima und Umwelt: Der Weg vom Erdöl zum Plastikbecher ist lang und in seinem Verlauf wird viel klimaschädliches CO2 produziert. Der Weg vom Einweg-Plastikbecher in den Müll ist kurz und endet meist, sobald der leer ist. Raphael wollte jedoch „etwas schaffen, das bleibt“ und vertiefte sich in den Entwicklungsprozess von Produkten im Bereich nachwachsender Rohstoffe. Ich treffe ihn per Video zum Interview, um mehr über ihn, seine Vision und die Produkte von ajaa zu erfahren.

Alltagskram aus Bio-Kunststoff

Raphael bietet mir direkt das „Du“ an. Seine freundliche und offene Art ist ansteckend. Während unseres Gesprächs begrüßt er eine hereinkommende Kollegin. Leicht lässt sich vorstellen, wie familiär die Atmosphäre in dem kleinen Betrieb sein mag. In insgesamt drei Büros arbeiten er und die sechs Mitarbeiter*innen. Eins der Büros ist ein alter umgebauter Schiffscontainer, den er und sein Team heute als Arbeitsplatz und Besprechungsraum nutzen.

Warum gerade Küchenutensilien? Raphael stellte sich damals die Frage, in welchem Bereich schadstofffreie Materialien am sinnvollsten sind: „Dort, wo sie am meisten mit Menschen in Kontakt kommen.“ Denn einen weiteren wichtigen Vorteil haben die Produkte von ajaa. Wegen der pflanzenbasierten Materialien sind sie frei von Schadstoffen und chemischen Weichmachern, was bei Küchenprodukten aus handelsüblichem Kunststoff meist nicht der Fall ist – und gerade im Lebensmittelbereich besonders schädlich sein kann. Der dreifache Vater wollte vor allem Haushalten mit Kindern eine ansprechende und hochwertige Alternative bieten: Neben Schüsseln, Tellern und Besteck gibt es Brotboxen für die Frühstückspause, Trinkflaschen für Ausflüge, und sogar ein Sandkasten-Set in bunten Farben.

Quelle: Ajaa

 

 

Die verschiedenen Küchenutensilien von ajaa bestehen aus Zuckerrohrsaft und werden in Deutschland hergestellt.

 

 

 

„Als ich angefangen habe, 2012, haben die Leute mich noch komisch angeguckt: Was willst‘n du da jetzt, haben sie mich gefragt“, berichtet Raphael und lacht. „Natürlich hat sich seitdem viel gewandelt.“ Nicht nur durch Bewegungen wie Fridays For Future ist das Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren immer mehr in den öffentlichen Fokus gerückt. Auch auf politischer Ebene tut sich was. Seit Anfang Juli 2021 gilt EU-weit ein Verbot von Einwegplastik. Produkte, wie die von ajaa scheinen immer beliebter zu werden. Auch wenn neue Bio-Kunststoffe immer noch weniger als 1% des globalen Plastiks ausmachen, ist ihre Produktion in den letzten Jahren konstant gestiegen.

Doch wie werden die Brotboxen und Schüsseln hergestellt? Das Zuckerrohr, das die Grundlage für die Produkte bildet, stammt aus Brasilien. Nachdem aus einer ersten Pressung des Zuckerrohrs der normale Haushaltszucker hergestellt wird, kann der Saft in einem zweiten Prozessschritt durch die Anreicherung mit Mineralien zu Bio-Kunststoff verarbeitet werden. Er ist also zusätzlich ein Restprodukt – und damit doppelt nachhaltig.

Quelle: Ajaa

 

Die Brotboxen von ajaa sind aus dem Bio-Kunststoff gemacht. Dieser entsteht durch die Anreicherung des Saftes, welcher bei der Pressung des Zuckerrohrs übrigbleibt, mit Mineralien.

Nachhaltigkeit – ökonomisch, ökologisch, aber auch sozial?

Andererseits steht der Zuckerrohranbau jedoch immer wieder in der Kritik. Die Frage nach dem richtigen Zulieferer musste sich auch Raphael stellen. Sein Lieferunternehmen nennt zumindest in seinem firmenspezifischen Verhaltenscodex, dass es sich verpflichtet, gleichzeitig die Umwelt sowie die lokalen Kulturen vor Ort zu schützen, und sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Wie weit solche selbst gesetzten Leitlinien eingehalten werden, lässt sich von außen jedoch meist schwer nachvollziehen. „Wir haben die Zulieferungswege unserer Materialien mal mit einer Masterarbeit untersuchen lassen.“, erzählt Raphael. „Aber irgendwann, wenn man von den Produzenten zu den Plantagen gelangen möchte, verliert sich die Spur“.

Diese fehlende Transparenz in der Lieferkette wird auch politisch diskutiert. Ein Lieferkettengesetz soll in Zukunft Abhilfe verschaffen: Unternehmen sollen verpflichtet werden entlang des gesamten Lieferprozesses Menschenrechte und international anerkannte Umweltstandards einzuhalten. Am 11. Juni 2021 wurde das offiziell betitelte „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ vom Bundestag verabschiedet. Ab 2023 tritt es in Kraft. Doch es weist noch erhebliche Mängel auf. Zum Beispiel gilt es nur für große Unternehmen ab 1000 Mitarbeitenden. Aspekte des Umweltschutzes werden nur in Teilen berücksichtigt. Außerdem betrifft es aktuell nur unmittelbare Zulieferer; das heißt alle, die an anderen Stellen des Produktions- und Lieferprozess stehen, wie zum Beispiel die Plantagenarbeiter*innen vor Ort, werden nicht durch das Gesetz geschützt – und die haben es in der Regel am meisten notwendig. Das Gesetz ist also eher ein Anfangspunkt als eine endgültige Lösung.

Eine Arbeit mit Sinn

Außerhalb der Materialbeschaffung spielt das Thema Nachhaltigkeit auch in anderen Bereichen des Unternehmens eine zentrale Rolle. „Für mich ist das kein Marketinginstrument, sondern eine Herzensangelegenheit,“ sagt Raphael. Das Wort ajaa stammt aus dem Finnischen und bedeutet „etwas bewegen, etwas vorantreiben“. Der tiefgehende Wunsch nach Sinnstiftung und das ganzheitliche Verständnis von Nachhaltigkeit unterscheide sein Unternehmen von anderen in der Branche. „Wenn man neue Produkte in diesem Bereich entwickelt, dann muss das vom ersten bis zum letzten Schritt geplant werden – das gehört für mich zum modernen Unternehmertum dazu: Dass nicht nur die Produkte, sondern das ganze Unternehmen nachhaltig gedacht wird“. Vom Verpackungsmaterial, über die Rückführung entsorgter Produkte in den Produktkreislauf bis zum papierlosen Arbeiten im Büro möchte Raphael sicherstellen, dass sein Unternehmen klimaneutral arbeitet.

Biologisch abbaubar sind hingegen nur die wenigsten seiner Produkte. Biobasierte Materialien zu verwenden, heißt nicht zwingend, dass die Produkte in der freien Natur schnell zersetzt werden. Immerhin müssen die Boxen und Teller bruchsicher und spülmaschinengeeignet sein und deshalb eine gewisse Langlebigkeit besitzen. Dennoch sind sie zu 100 Prozent recyclebar. Das Unternehmen bietet zusätzlich an, nicht mehr benötigte Utensilien zurückzunehmen und wieder in den Produktionskreislauf einzuführen.

Quelle: Ajaa

 

 

Da die Brotboxen spülmaschinengeeignet und vor allem bruchsicher sind, können sie auch perfekt von Kindern genutzt werden.

Der lange Weg von der Herstellung in den Haushalt

Auf die Frage, was seine größte Herausforderung in den letzten Jahren gewesen sei, antwortet Raphael ohne lange Nachzudenken: „Es ist eine Sache, eine gute Produktidee zu haben und sie zu entwickeln – aber dieses Produkt dann marktfähig zu machen, es zu bewerben und zu verkaufen ist die eigentliche Herausforderung. Das braucht Menschen, die das gut können.“ Er sehe sich hingegen eher in der Produkt- und Unternehmensentwicklung.

Aktuell sind die Produkte von ajaa vor allen Dingen in Biomärkten erhältlich. Der Boom des Online-Handels der letzten Jahre, besonders in der Corona-Pandemie, ist jedoch auch an ajaa nicht vorbeigegangen. „Allein seit dem letzten Jahr bieten wir unsere Produkte auf 20 neuen Plattformen an“. Langfristig möchte sich das Unternehmen nicht nur in Deutschland, sondern auch auf dem europäischen Markt etablieren. „Die Idee ist, unsere Produkte erst einmal so breit wie möglich zu streuen. Nach einem Jahr schauen wir dann, welche Plattformen gut laufen und sich lohnen weiterzuverfolgen, und welche nicht.“ Raphael klingt dabei gelassen und optimistisch. Es wird deutlich: seine Arbeit erfordert vor allem Geduld, Lernbereitschaft, viel Ausprobieren und Nachjustieren – kurzum Learning-By-Doing.

Zum Abschluss frage ich Raphael was er anderen jungen Unternehmer*innen in der Branche raten würde. „Das Wichtigste ist, dass ich mir Gesprächspartner suche, mit denen ich meine Ideen diskutieren kann, mit denen ich mich austauschen kann.“ Der Aufbau eines Netzwerks und Feedback von anderen Expert*innen seien unglaublich wichtig, wenn man ein Unternehmen gründen und neue Ideen auf den Markt bringen möchte. Auch Raphael selbst hat das mithilfe von Startups Stuttgart e.V. getan. Der Verein hat das Ziel, Gründer*innen durch die Vermittlung von Kontakten und verschiedene Veranstaltungen in dieser Phase zu unterstützen.

So hat Raphael in seiner Karriere als Produktentwickler, Unternehmer und Nachhaltigkeitstreiber viel dazu gelernt in den letzten Jahren. Er selbst ist zum Experten in der Branche geworden. In Zukunft möchte er sich nun auch mit neuen, jungen Unternehmer*innen austauschen und seine Erfahrungen teilen.

Quelle: Ajaa

Raphael Stäbler, der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens ajaa, welches Küchenutensilien aus nachwachsenden Rohstoffen herstellt.

Jobs für die Zukunft

Es wird in Zukunft eine Menge neue Betätigungsfelder auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe geben. Falls auch du dich für diese und generell eine Wirtschaft mit mehr Nachhaltigkeit interessiert, hätten wir da was für dich:

Quelle: Pexels/Anamul Rezwan

Wirtschaftsingenieur*in

… als Wirtschaftsingenieur*in bist du zuständig für die Analyse, Planung und Verbesserung von Betriebsabläufen. Dein Fokus liegt dabei auf wirtschaftlichen und technischen Faktoren. Mittlerweile gibt es sogar einige Studiengänge, die sich auf Umwelt und Nachhaltigkeit spezialisieren, also explizit ökologische Faktoren berücksichtigen. Während des Studiums wirst du dich unter anderem mit Informatik, Grundlagen der Elektrotechnik, Betriebs- und Volkswirtschaft und anwendungsorientierter Mathematik beschäftigen.

Quelle: Pexels/fauxels

Gründer*in

… jede*r kann Gründer*in werden, aber kein Unternehmen kann langfristig ohne qualifizierte Leute und Expertise in verschiedenen Bereichen wie Marketing, Vertrieb, Personal, Produktmanagement etc. wirtschaftlich sein. Mit einer guten, innovativen Idee ist aber schon der entscheidende Schritt getan und die Fachleute lassen sich ja dann finden. Gerade im Bereich Nachhaltigkeit, Rohstoffe und Energie werden neue Technologien, innovative Konzepte und Produkte benötigt, wenn wir den Herausforderungen der Zukunft begegnen wollen.

Quelle: Pexels/cottonbro

Produktentwickler*in

… als Produktentwickler*in hast du viele Möglichkeiten für die Entwicklung von Produkten: von neuen Medikamenten, Fahrzeugen, Lebensmitteln bis hin zu Baustoffen – oder eben Haushaltswaren aus Bio-Plastik. Produktentwickler*innen haben es in der Hand, in all diesen Bereichen die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen voranzutreiben. Sie sind nicht nur für Forschung und Entwicklung zuständig, sondern stehen auch in Kontakt mit Marketing und Vertrieb, um das Feedback von Nutzer*innen einzuholen.

Quelle: Pexels/Julia M Cameron
#wächstwieder

Schreibtisch der Zukunft:
Mit nachwachsenden Rohstoffen lernen und arbeiten

Quelle: Julia Dolinsky

Julia Dolinsky, 23 Jahre

Essenzielle Elektrogeräte wie Computer, Tastatur oder Maus kommen selten ohne Kunststoff aus – das Gleiche gilt für kleinere Verbrauchsmaterialien wie Kugelschreiber, Ordner, Schnellhefter und Textmarker. Eine Lösung für das „Plastikproblem“ könnten in Zukunft nachwachsende Rohstoffe sein: Sie bilden die Basis für viele Dinge, die es ermöglichen, den „Schreibkram“ nachhaltiger zu gestalten.

Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 17,9 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. In jeder Phase des Plastik-Lebenszyklus‘ werden Kohlendioxid, Methan und andere Treibhausgase freigesetzt: Das beginnt, wenn fossile Rohstoffe gewonnen, raffiniert und in energieintensiven Verfahren verarbeitet werden, und endet, wenn Kunststoffabfälle in der Müllverbrennungsanlage landen. Gelangt Plastik nach Gebrauch aber einfach in die Umwelt, kann es Jahrzehnte dauern, bis es zerfällt. Und auch damit verschwindet es nicht einfach aus der Welt, Stichwort Mikroplastik: Übrig bleiben selbst dann winzige Plastikteilchen, die über verschieden Wege in die Natur, in Gewässer und in die Nahrungsketten gelangen. Um gebrauchte Kunststoffabfälle umweltschonend zu beseitigen, müssen sie entweder energetisch verwertet, also verbrannt, oder recycelt werden.

Erdöl ist begrenzt verfügbar

Ein großes Problem in der Kunststoffproduktion ist außerdem der Rohstoff, aus dem es gemacht wird: Erdöl. Denn das ist ein endlicher und nicht-nachwachsender Rohstoff. Derartige begrenzte Ressourcen werden der Erde irgendwann nicht mehr zur Verfügung stehen. Laut Dr. Lisa Mundzeck vom Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe der Hochschule Hannover, bestehe das Potenzial von biobasierten Rohstoffen vor allem darin, Erdöl als endliche Ressource aktiv einzusparen. Tendenziell könne die Nutzung nachwachsender Rohstoffe die begrenzten Erdölvorräte schonen und im durchschnittlichen Vergleich mit herkömmlichen erdölbasierten Rohstoffen die CO2-Emissionen verringern.

Bioplastik als Alternative?

Als Biokunststoff oder auch Bioplastik werden Kunststoffe bezeichnet, die auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen erzeugt werden oder biologisch abbaubar sind. Wichtig zu wissen ist, dass nicht jeder biobasierte Kunststoff auch biologisch abbaubar und damit kompostierbar ist. Laut WWF sind Biokunststoffe nur umweltfreundlicher als erdölbasierte Kunststoffe, wenn ihre nachwachsende Rohstoffbasis nachhaltig gewonnen wird und sie konsequent im Kreislauf geführt werden. Was heißt das? Ganz einfach: Der Wertstoffkreislauf schließt sich, wenn biobasiertes und biologisch abbaubares Plastik gesammelt, verarbeitet und zu einem neuen Produkt verarbeitet wird. Oder wenn es als Kompost auf dem Feld landet und so wieder zur Erzeugung von nachwachsenden Rohstoffen beiträgt. Dann schließt sich der Kreis.

Die Biomasse, also die nachwachsende Rohstoffbasis für biobasierte Kunststoffe, wird beispielsweise aus Mais, Zuckerrohr oder Zellulose gewonnen. Produkte aus biobasiertem Kunststoff oder aus Holz unterscheiden sich demnach in ihrem Ursprung und ihrer Beschaffenheit voneinander. Aktuell stehen in der Forschung der Hochschule Hannover außerdem Reststoffe und ihre Weiternutzung im Fokus. Sie entstehen bei der Herstellung, der Weiterverarbeitung oder nach der Nutzung verschiedenster Produkte. Potenzial haben sie als Rohstoffquelle für biobasierte Kunststoffe oder als Verstärkungs- und Füllstoffe:

Polylactid ist ein nicht natürlich vorkommender Polyester, der über eine mehrstufige Synthese aus Zucker hergestellt wird. In seiner Beschaffenheit ähnelt es dem Plastik auf Rohölbasis –je nach Bedarf kann es sowohl in feste als auch in elastische, folienartige Form gebracht werden. Es werden heute bereits Büro-Utensilien, Textilien, Autoteile und medizinische Implantate aus PLA hergestellt.

Biochemisch betrachtet ist Zellulose der Hauptbestandteil von Bäumen und Pflanzen. Dort sorgt sie mit einem Massenanteil von rund 50 Prozent für die Stabilisierung der Zellwände. Gewonnen werden die Zellulosefasern durch den sogenannten Aufschluss des Holzes. Gemeint ist damit die mechanische oder chemische Zerlegung von Holz in Holzfasern. Zellulose ist ein wichtiger Hauptbestandteil der Papierproduktion und wird somit auch als Rohstoff für Kunststoffersatzprodukte aus Karton, Pappe oder Papier genutzt. Allerdings: Nachhaltig ist die ganze Sache nur, wenn das Holz nicht aus Raubbau stammt und wieder nachgepflanzt wird. Oder noch besser, wenn möglichst viel recyceltes Papier zur Anwendung kommt.

Lignin ist neben Zellulose einer der Hauptbestandteile von Holz; es lässt sich aber auch aus Chinaschilf oder Stroh gewinnen. Lignin kann sowohl biologisch als auch durch verschiedene chemisch-technische Verfahren gewonnen werden. Bei der biologischen Ligningewinnung wird Holz durch Bakterien und vor allem Pilze zersetzt. Lignin ist laut aktuellem Forschungsstand eine mögliche Alternative zu Erdöl in der Kunststoffindustrie.

Nachwachsende Rohstoffe im Arbeitsalltag

Kugelschreiber, Textmarker und Filzstifte werden im Büroalltag oder im Home Office besonders häufig genutzt und müssen dementsprechend oft ausgetauscht werden. Nachfüllbare Produkte können dank mehrfacher Nutzung nachhaltigere Alternativen sein. Noch besser ist es, wenn sie aus Biokunststoff oder Holz hergestellt sind. Das ist – zumindest in Bezug auf die Alternativen zu klassischem Plastik – bislang nicht gerade die Regel, aber ein paar Dinge wie beispielsweise Organizer, Stiftehalter oder Anspitzer aus nachwachsenden Rohstoffen gibt es bereits. Mehr zu biobasierten Produkten fürs Büro und Homeoffice findest du hier. Mit etwas mehr Achtsamkeit ist es möglich, Nachhaltigkeit und nachwachsende Rohstoffe in den Alltag zu integrieren und auch während der Arbeit verantwortungsbewusst mit Ressourcen umzugehen:

Sei es Druckerpapier, Klebeband oder Klarsichtfolien: Der schnelle Griff zu konventionellen Produkten lässt sich mit etwas Übung kontrollieren. Es gibt bereits ein breites Angebot an Ersatzprodukten aus nachwachsenden Rohstoffen, die den klassischen Produkten in nichts nachstehen. Das Klebeband der Marke Klebio ist transparent, wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und ist darüber hinaus vollständig kompostierbar. Auch Elektrogeräte gibt es, zumindest teilweise, aus nachwachsenden Rohstoffen: Die Firma Nager IT verkauft Computermäuse, deren Gehäuse aus Biokunststoff auf der Basis von Zuckerrohr besteht. Darüber hinaus findet ihr auf der Webseite der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe eine breite Palette von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen.

Nachfüllbare Stifte, beispielsweise Filzstifte und Marker mit nachfüllbarer Tinte oder Kugelschreiber mit nachfüllbaren Minen, sind eine kostengünstige Alternative zu Einmalprodukten. Wenn es sich dann noch um Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen handelt, umso besser.

Zu einem verantwortungsbewusstem Umgang mit Materialien am Arbeitsplatz gehört eine richtige Mülltrennung. Papier und Kunststoff sollten voneinander getrennt entsorgt werden, um anschließend recycelt werden zu können. Für einige Produkte bleibt die Entsorgung über die Resttonne unabdingbar: Dies gilt vor allem für Filzstifte, Kugelschreiber sowie für Bunt- und Bleistifte.

Nicht nur die Arbeit am Schreibtisch, auch die Arbeitswelt allgemein kann von nachwachsenden Rohstoffen beeinflusst werden. „Ganz grundsätzlich können Biokunststoffe in zahlreichen Bereichen der Arbeitswelt eingesetzt werden, nicht nur auf dem Schreibtisch“, erklärt Dr. Lisa Mundzeck. Viel wichtiger sei aber: Ein steigender Einsatz von Biokunststoffen wird auch anderweitig Einfluss auf die Arbeitswelt haben. Es wird mehr Arbeitsplätze in der Biokunststoffindustrie geben und die Produktionsabläufe werden sich deutlich von denen in der „fossilen“ Plastik-Industrie unterscheiden. Auch das Thema Recycling wird einen viel höheren Stellenwert bekommen, so Mundzeck: „Das Etablieren einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sowohl mit Bio- als auch mit herkömmlichen Kunststoffen, erläutert sie, „kann in der Arbeitswelt eine Menge verändern, wenn man allein an die Landwirtschaft denkt, die Recyclingindustrie, die Abfallwirtschaft.“

Quelle: China Hopson

Dr. phil. Lisa Mundzeck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Hannover, Abteilung Bioverfahrenstechnik, Forschungsbereiche: Biokunststoffe und Materialentwicklung. Seit Gründung des Instituts für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) 2011 ist sie auch für die Öffentlichkeitsarbeit des Instituts zuständig.

Jobs für die Zukunft

Es wird in Zukunft eine Menge neue Betätigungsfelder auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe geben. Falls auch du dich für diese und generell eine Wirtschaft mit mehr Nachhaltigkeit interessiert, hätten wir da was für dich:

Quelle: Pexels/ThisIsEngineering

Technische*r Assistent*in für nachwachsende Rohstoffe

… als Technische*r Assistent*in für nachwachsende Rohstoffe absolvierst du eine zweijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule und sammelst Praxiserfahrung in einem Praktikumsbetrieb. Technische Assistent*innen für nachwachsende Rohstoffe überwachen und warten Anlagen zur Produktion von Energie oder von Produktionsgütern aus nachwachsenden Rohstoffen. Dabei achten sie auf die Einhaltung von Umweltschutzbestimmungen und der Regelungen zum Einsatz erneuerbarer Energien.

Quelle: Pexels/RF._.studio

Ingenieur*in für erneuerbare Energien

… als Ingenieur*in für erneuerbare Energien musst du zuvor ein Grundlagenstudium im Bereich Erneuerbare Energien absolviert haben. Ingenieur*innen für erneuerbare Energien entwickeln, planen, betreiben und überwachen Anlagen zur Nutzung regenerativer Energiequellen. Dazu zählen Windkraftwerke, Photovoltaikanlagen, solarthermische und geothermische Systeme oder Anlagen, die aus Biomasse Wärme oder nutzbares Gas gewinnen.

Quelle: Pexels/Ana Madeleine Uribe
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Die Rettung wächst nach

Quelle: Antonia Tebbe

Antonia Tebbe, 23 Jahre

Jute statt Glaswolle, Strom aus der Biogasanlage und Kaffeetassen aus geschreddertem Mais? Nachwachsende Rohstoffe sind eine der wichtigsten Werkzeuge im Kampf gegen den Klimawandel und die Ausbeutung der Ressourcen unseres Planten. Ist es damit möglich, eine nachhaltige Zukunft anzubauen?

Jedes Jahr berechnet die Organisation Global Food Print Network den Earth Overshoot Day. Bis zu diesem Termin wird die Menschheit weltweit die Menge an Ressourcen aufgebraucht haben, welche die Natur innerhalb eines Jahres wiederherstellen kann – und regelmäßig liegt dieser Tag lange vor Jahresende. Gegenwärtig verbraucht die Menschheit 74 Prozent mehr, als die Ökosysteme des Planeten regenerieren können. Neben dem Ressourcenverbrauch fließt auch der weltweite Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlenstoffdioxid (CO2), den die Natur innerhalb eines Jahres kompensieren kann, in die Berechnung mit ein.

In den letzten Jahren rutschte der Earth Overshoot Day immer weiter nach vorne, 2021 auf den 29. Juli. Würde die ganze Weltbevölkerung konsumieren wie die Einwohner*innen Deutschlands, wären sogar schon am 5.Mai.2021 alle zur Verfügung stehenden Ressourcen für das Jahr aufgebraucht gewesen! Die stetig wachsende Weltbevölkerung bräuchte derzeit 1,74, bei deutschen Konsummaßstäben sogar 2,9 Erden, um ihren Bedarf an Ressourcen ohne Ausbeutung der Natur zu decken.

2,9 Erden

Was also tun? Ganz einfach, oder? Der enorme menschliche Ressourcenverbrauch muss eben drastisch sinken. Den Verbrauch stark zu reduzieren ist, gerade im Angesicht von Bevölkerungswachstum, zunehmendem Wohlstand und somit gesteigertem Konsum auch in ärmeren Ländern, ohne den Willen zum Verzicht jedes Einzelnen, leider eine Utopie. Gerade deswegen wäre es zumindest Teil einer Lösung, die überall verwendeten endlichen Ressourcen Schritt für Schritt durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzten. Sie bieten eine realistische Möglichkeit, dem CO2-Ausstoß und dem übermäßigen Verbrauch von fossilen Rohstoffen etwas entgegen zu setzten. Eine solche umfassende Umorganisation der Wirtschaft mittels nicht-endlicher Rohstoffe, hätte gewaltigen Einfluss auf vielen Ebenen und birgt die Kraft, dringend benötigte Veränderung im globalen Stil herbeizuführen.

 

Wie hängen nachwachsende Rohstoffe und wirtschaftliche Chancen zusammen?

Unter nachwachsenden Rohstoffen versteht man Produkte, die in der Land- oder Forstwirtschaft erzeugt werden und im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder -gas, bei entsprechender Nutzung, nicht erschöpfbar sind. Sie können also, in der Theorie, immer wieder neu angebaut, geerntet und verwendet werden, solange der Verbrauch nicht die Geschwindigkeit ihrer Regeneration übersteigt. Auch metallische und mineralische Rohstoffe, wie Eisen oder die Grundbestandteile von Beton, sollten möglichst durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen haben oft noch einen weiteren Vorteil: Anders als zum Beispiel „normales“ Plastik verrotten sie und liegen oder schwimmen also nicht jahrzehnte- oder gar jahrhundertelang in der Natur oder im Meer herum. Welche Produkte biobasiert sind, aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und welches Umweltgütezeichen sie haben, erfährst du auf dieser Seite.

 

Was zählt zu den nachwachsenden Rohstoffen?

Mit nachwachsenden Rohstoffen sind Substanzen gemeint, die als Energiequelle für die Erzeugung von Wärme, Strom und Kraftstoffen eingesetzt werden oder stofflich, zum Beispiel für die Herstellung von Möbeln, Arzneimitteln und Kleidung, genutzt werden. Gerade für die stoffliche Nutzung bieten sich riesige Einsatzgebiete, neben Chemie- oder Möbelbranche beispielsweise im Bereich der Verpackungs-, Auto- oder Bauindustrie. Wie genau das Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen funktioniert, erfährst du in dieser Videoreihe, am Beispiel von klimafreundlichen Dämmmaterialien. Doch auch Schuhe, Kosmetik, Klopapier und sogar Seife können aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.

 

Quelle: Pexels/Clem OnojeghuoBekannte Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen für die energetische Nutzung sind Biodiesel und Biogas. Energiepflanzen, die in Deutschland zu deren Erzeugung angebaut werden sind zum Beispiel Raps, Mais, Rüben und Getreide. Ganz klassisch zählt natürlich auch Holz, wie es der Mensch seit Jahrtausenden zum Heizen und Kochen verwendet, zu den Energiepflanzen. Nahrungs- und Futtermittel zählen übrigens nicht zur Gruppe der nachwachsenden Rohstoffe. Manche Pflanzen sind allerdings für mehrere Zwecke nutzbar. Mais zum Beispiel lässt sich gleich vierfach einsetzen: Man kann ihn essen, man kann ihn verfüttern, man kann Biogas oder -treibstoff draus machen und es lassen sich sogar Dinge daraus herstellen.

 

Was haben nachwachsende Rohstoffe mit dem Klimawandel zu tun?

Quelle: Pexels/Livier GarciaAuch nachwachsende Rohstoffe sind nicht unbedingt klimaneutral. Denn bei ihrem Anbau, bei der Verarbeitung und beim Transport wird bislang oft CO2 freigesetzt, das aus fossilen Quellen stammt. Hinzu kommt, dass sich der Intensivanbau von Pflanzen wie Mais oder Raps, der oftmals unter Einsatz von Pestiziden und in Monokulturen erfolgt, negativ auf Umwelt und Klima auswirkt. Und nicht selten transportieren die fossil-betriebenen Landmaschinen Biomasse über weite Strecken zur passenden Biogasanlage – ebenfalls nicht ideal.

Dennoch tragen nachwachsende Rohstoffe, auch bei ihrer Nutzung in Form von Bioenergie, zur Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase bei. Denn nachwachsende Rohstoffe entlassen bei ihrer Verbrennung nur so viel CO2 in die Erdatmosphäre, wie sie vorher während ihres Wachstums aufgenommen haben. Ganz anders ist das bei fossilen Brennstoffen. Das Kohlendioxid, das bei ihrer Verbrennung entsteht, war in abgewandelter Form vormals tief unter der Erde begraben und wäre ohne menschliches Zutun nicht in die Atmosphäre gelangt, Stofflich genutzt, können Holz, Pflanzenfasern und Co. Kohlendioxid sogar über viele Jahrzehnte hinweg binden. Zum Beispiel in Form eines Holzhauses: Das CO2, dass die Bäume während ihres Lebens aufgenommen und in Form von Kohlenstoff gespeichert haben, bleibt im Holz des Hauses erhalten, solange das nicht abbrennt oder verrottet.

86% der erneuerbaren Wärme

Es ist also folgerichtig, dass nachwachsende Rohstoffe einen immer größeren Anteil unseres Energieverbrauchs decken. 86 Prozent der erneuerbaren Wärme (also der Wärmeenergie, die nicht aus fossilen Brennstoffen entsteht) stammen aus nachwachsenden Rohstoffen. Der Anteil, den Bioenergie an der gesamten erneuerbaren Stromversorgung hat, liegt immerhin bei 20 Prozent. Zur Einordnung: Rund 45 Prozent des gesamten deutschen Stroms stammten 2020 aus erneuerbarer Energie, bei der Wärme sind es rund 15 Prozent. Nachhaltig verwendet, bringen nachwachsende Rohstoffe auch sonst eine Reihe von Vorteilen mit sich. Wird beispielsweise Wert auf lokalen Anbau und Nutzung gelegt, können klimaschädliche Transportwege verkürzt werden und das jeweilige Land kann seine Versorgung etwas unabhängigerer Ländern sichern. Reiche Länder wie Deutschland können so ihren CO2-Ausstoß verringern und Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten schaffen oder erhalten. Arme Länder können ihren Energiebedarf unabhängig von Erdöl oder Erdgas, das sie teuer importieren müssten, decken und noch etwas hinzuverdienen, indem sie nachwachsende Rohstoffe exportieren.

 

Also alles super – oder doch nicht?

Wo viel Licht ist, ist auch Schatten: Auch die steigende Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen bleibt nicht ohne Probleme. Einer davon ist die Konkurrenz des Anbaus von Nahrungsmitteln mit nachwachsenden Rohstoffen, die besonders die Menschen in ärmeren Ländern betrifft. Zum Beispiel können die Preise für Mais, der in manchen Ländern ein Grundnahrungsmittel ist, steigen, weil die Nachfrage wächst – denn Mais ist eben auch ein prima nachwachsender Rohstoff, siehe weiter oben. Die Folge: Die Menschen müssen nun viel mehr für Nahrungsmittel bezahlen, was die ärmeren von ihnen oft nicht können. Ein weiteres Problem entsteht natürlich auch durch die steigende Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen: Anbauflächen werden vergrößert, auf Kosten von natürlichen Ökosystemen. Da wo früher Regenwald war, wachsen heute Zuckerroher und Ölpalmen, statt intakter Wälder gibt es nun artenarme Plantagen.

Um die Vorteile nachwachsender Rohstoffe zu nutzen, muss also – auch in Deutschland und anderen Industrienationen – auf eine ausgeglichene Anbauwirtschaft geachtet werden. Beispielsweise sollten Monokulturen vermieden werden. Ganzheitliche Konzepte können Naturschutz und Nachhaltigkeit mit ertragreicher Landwirtschaft verbinden. Nachhaltigen Anbau und eine ebensolche Nutzungsweise vorausgesetzt, sind nachwachsende Rohstoffe ein wertvoller Baustein in der Bekämpfung des Klimawandels und bieten Chancen in der Bekämpfung einer Reihe gesellschaftlicher Probleme. Lokale Wertschöpfung kann entstehen und fossile Ressourcen können geschont werden.

Quelle: Pixabay/Adina Voicu
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Insekten – Lokaler Rohstoff der Zukunft?

Quelle: Lena Müller

Lena Müller, 31 Jahre

Ohne Insekten würde unser gesamtes Ökosystem nicht funktionieren – etwa 88 Prozent der Bestäubungsarbeit wird durch Insekten verrichtet. Dass diese bald auch als nachwachsender Rohstoff genutzt werden können, daran wird zurzeit geforscht.

Ein unscheinbares Gewächshaus in Baruth in Brandenburg. Wer darin die Anzucht von Pflanzen erwarten würde, läge falsch: Es handelt sich hierbei um ein hochmodernes Biotech-Unternehmen, die Hermetia Baruth GmbH. In diesem Gewächshaus wird daran gefeilt, eine wirtschaftliche Fliegenzucht aufzubauen. Das Hauptinteresse gilt dabei jedoch gar nicht den ausgewachsenen Fliegen. Diese sind nur für die Fortpflanzung und damit für die Produktion von Nachwuchs interessant. Stattdessen werden vor allem die Larven der späteren Insekten betrachtet, denn aus deren Biomasse lassen sich Insektenproteine und -fette gewinnen.

Seit 2017 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt „Competitive Insect Products“. Das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig, 130 Kilometer südwestlich des Fliegen-Gewächshauses, kooperiert für diese Forschung mit der Hermetia Baruth GmbH. Der Grund: Da sich Insekten enorm schnell vermehren, werden sie als nachwachsender Rohstoff der Zukunft gehandelt. Momentan gibt es jedoch noch einen entscheidenden Haken: Die Produktion der Insekten ist bislang nicht wirtschaftlich und somit auf dem Markt nicht wettbewerbsfähig. Harald Wedwitschka, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DBFZ und sein Team forschen deswegen daran, welche Teile der Insektenzucht ökonomischer gemacht werden können.

Aber noch mal zum Anfang: Warum Insekten? Insekten haben einen hohen Fett- und Proteingehalt. Harald Wedwitschka betont, dass das Fett der Insekten zukünftig weniger nachhaltige Rohöle wie Palmöl, Rizinus- und Kokosöl ersetzen könnte. Im Gegensatz zu den genannten Ölen kann Insektenfett lokal erzeugt werden und hat somit keine langen Transportwege hinter sich, wenn es zum Einsatz kommt. Wedwitschka berichtet, dass es außerdem oft zu Lieferengpässen bei den importierten Ölen komme. Auch dieses Problem könnte durch Insektenfett vermindert werden.

 

Ersatz für Fisch und Soja

Das Protein von Insekten kann außerdem zu Tierfutter hinzugesetzt werden. So lässt sich der Anteil des bisher verwendeten Sojas und Fischmehls verringern. Beides ist aus ökologischer Sicht sehr bedenklich. Rund 80 Prozent des weltweit angebauten Sojas wird für Tierfutter verwendet und um der steigenden Nachfrage an Tierfutter gerecht zu werden, steigt auch der Anbau von Soja. Dafür werden Regenwaldflächen gerodet und Monokulturen angelegt. Fischmehl wird aus Fisch hergestellt. Durch die großen Mengen Fisch, die so mittlerweile nicht nur von Menschen, sondern auch von Nutztieren konsumiert werden, sind über 30 Prozent der kommerziell genutzten Bestände überfischt. Bei weiteren 60 Prozent liegt die Nutzung am Limit.

Insekten können hier eine Lösung sein, denn sie stellen eine nachwachsende und lokale Ressource dar. Dipl.-Ing. Heinrich Katz, Mitbegründer und kaufmännischer Leiter der Hermetia Baruth GmbH, betont, dass es die Hauptaufgabe der Insekten in der Natur sei, aus Reststoffen körpereigene Fette und Proteine herzustellen – um dann als Nahrung für höhere Tiere zur Verfügung zu stehen. Sie könnten so auch einen entscheidenden Faktor in lokalen Kreislaufwirtschaften stellen.

 

Produktion der Biomasse aus Insekten

In Baruth wird vor allem an einer aus Lateinamerika stammenden Fliege geforscht. Die Schwarze Soldatenfliege braucht im Gegensatz zu der bei uns heimischen Stubenfliege als ausgewachsenes Tier kein Futter. Während ihres zwölftägigen Lebenszyklus als erwachsene Fliege kümmert sie sich nur um die Fortpflanzung. Alle Energie, die sie dafür braucht, nimmt sie bereits als Larve zu sich. Für die Produktion und Nutzung der Larven, leben die Tiere der Schwarzen Soldatenfliege im Gewächshaus in Baruth in Gefangenschaft und pflanzen sich stetig fort. Ein Teil der Eier entwickelt sich zu Larven und weiter zu ausgewachsenen Fliegen. Diese Fliegen pflanzen sich wieder fort, um weitere Eier zu legen, aus denen sich erneut Larven entwickeln. Der für die Vermehrung nicht benötigte Teil Larven wird für die Biomasseherstellung genutzt. Diese Larven dürfen sich ordentlich dick fressen. Bevor sie sich zu Fliegen entwickeln, werden sie getötet, bei 90° C getrocknet und grob gesagt in Insektenmehl, Insektenfett und einen Restteil verarbeitet.

Die Forschenden im Biomasseforschungszentrum in Leipzig nehmen Punkte unter die Lupe, die noch Probleme bereiten: Wie kann der „Rohstoff“ Insekt wirtschaftlich werden und wie können wir den Teil, der nicht Mehl oder Fett wird, weiternutzen? Harald Wedwitschka und sein Team nehmen dafür viele verschiedene Stellschrauben unter die Lupe. „Nachhaltige und kostengünstige Rohstoffe und Herstellungsverfahren, Nutzung erneuerbarer Energien in der Produktion und die Arbeit an einer Freigabe von Rest- und Abfallstoffen als Futterstoff, sind nur einige der vielen Möglichkeiten, die an der Produktionskette optimiert werden können“, berichtet Wedwitschka. Um es greifbarer zu machen: Die Schwarze Soldatenfliege gilt gesetzlich als Nutztier. Und das Futter, welches Nutztiere fressen, muss entsprechend zugelassen und zertifiziert sein. Zertifizierungen aber sind in der Regel eine teure Angelegenheit.

Deswegen beforscht Harald Wedwitschka in Leipzig Nährmittel, die nicht in Konkurrenz zu Futtermitteln stehen und möglichst günstig und regional zu bekommen sind. Das sind Stoffe wie Maissilage, Biertreber oder Hühnerkot. „Wir untersuchen gemeinsam mit der Hermetia Baruth GmbH verschiedenste Einsatzstoffe auf ihre Eignung und testen Koppelprodukte und Reststoffe der Insektenzucht“, so Wedwitschka, „zum Beispiel als Biogassubstrat oder Rohstoffe für technische Anwendungen.“ Die genannten Reststoffe, die weder Mehl noch Fett sind, enthalten noch sehr viel Energie. So viel Energie, dass sie – soweit das Gesetz es zulässt – als Substrat für die Herstellung von Biogas genutzt werden können. So entsteht das Potential für eine Kreislaufwirtschaft, denn die Wärme, die Biogasanlagen produzieren, kann wiederum für die Aufzucht der Larven genutzt werden – diese fühlen sich nämlich bei einer bestimmten Temperatur am wohlsten.

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Video: Fliegende Proteinquellen – Auf der Insektenfarm (Hermetia Baruth GmbH)

Insekten essen oder „ausbeuten“ – vertretbar oder nicht?

Momentan rückt die Ausbeutung von Nutztieren durch den Menschen immer mehr in den Fokus der Gesellschaft. Es stellt sich somit die Frage, ob nun die Forschung an Insekten als neue Ressource überhaupt zukunftsfähig ist. Die Anzahl an veganen, also tierfreien Produkten ist in den letzten Jahren zusehends gestiegen. Nicht nur bei Lebensmitteln, auch im Non-Food-Bereich. Die Argumente von Katz und Wedwitschka sind jedoch einleuchtend: Insekten können Ressourcen, die von weit weg importiert werden müssen, ersetzen. Sie können problematischen Monokulturen dadurch vorbeugen, dass es weniger Palmöl- oder Sojaplantagen braucht. Und ist die Forschung erfolgreich, können, die Fliegen nicht nur regional, sondern auch nachhaltig (Stichwort Kreislaufwirtschaft) aufgezogen werden. Wedwitschka wendet jedoch ein, dass der nachhaltigste Weg wäre, die Insekten zu essen, anstatt sie über Tierfutter oder Schmierstoffe auf den Markt zu bringen. Die Akzeptanz für insektenbasierte Lebensmittel ist jedoch im globalen Norden bisher vergleichsweise gering.

Heinrich Katz argumentiert außerdem, dass sowohl durch Auto- wie auch durch Bahnverkehr viele Insekten sterben müssten – deren Tod wir auch billigend in Kauf nehmen. Und es geht noch weiter mit der „Ausbeutung“ von Insekten, wie Katz erläutert: „Wir setzen Nützlinge ein, die Schädlinge auffressen oder parasitieren, damit wir Gemüse und Früchte ernten können.“ Hierbei fressen Insekten wiederum Insekten – gesteuert durch den Menschen. Dank dieser Nutzungsweise von Insekten kann in der Landwirtschaft der Einsatz von chemischen Pestiziden verringert werden. Man sieht: Insekten sind auch unabhängig von der Rohstoffnutzung bereits eine ökonomische Ressource.

Klar ist: Wir benötigen nachwachsende Rohstoffe, um zukünftig die Ausbeutung unseres Planeten zu vermindern. Klar ist auch: Bei diesen nachwachsenden Rohstoffen handelt es sich um Lebewesen – was unvermeidlich kontroverse Meinungen mit sich bringen wird. Vielversprechend klingt das Forschungsvorhaben allemal. Und vermutlich notwendig.

Quelle: DBFZ

 

Harald Wedwitschka ist studierter Biotechnologe und Umweltwissenschaftler und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Biomasseforschungszentrum GmbH. Sein Forschungsgebiet beinhaltet die Untersuchung biotechnischer Ansätze zur kombinierten stofflichen und energetischen Nutzung von Biomasse.

Quelle: Privat

Dipl.-Ing. Heinrich Katz ist der kaufmännische Leiter der Hermetia Baruth GmbH und verantwortlich für die Organisation und die externe Kommunikation. Hermetia war im Jahr 2006 die erste Einrichtung, der der Aufbau einer signifikanten und stabilen Zucht der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens) in Europa gelang. Die Firma hat für die Massenproduktion der Larven einen Bioreaktor entwickelt, der weltweit vertrieben wird. Die Aufbereitung der Larvenmasse zu proteinreichem Mehl und Öl wurde ebenfalls von der Hermetia entwickelt.

Jobs für die Zukunft

Es wird in Zukunft eine Menge neue Betätigungsfelder auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe geben. Falls auch du dich für diese und generell eine Wirtschaft mit mehr Nachhaltigkeit interessiert, hätten wir da was für dich:

Quelle: Pexels/ThisIsEngineering

Ingenieurswissenschaftler*in

… als Ingenieurwissenschaftler*in beschäftigst du dich mit der Forschung, Entwicklung sowie Produktion und dem Betrieb von technischen Anwendungen.

Quelle: Pexels/Kateryna Babaieva

Maschinenbauingenieur*in bzw. Bauingenieur*in

… es gibt auch die Möglichkeit einer bestimmten Spezialisierung, zum Beispiel zur/zum Maschinenbauingenieur*in oder Bauingenieur*in. In all diesen Bereichen werden nachwachsende Rohstoffe in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.

Quelle: Pexels/Chokniti Khongchum

Biotechnolog*in

… als Biotechnolog*in verfügst du über Wissen von biologischen Grundlagen mit der Anwendung in der Industrie, Medizin und Landwirtschaft. Ein zentrales Aufgabengebiet kann die Weiterentwicklung von nachwachsenden Rohstoffen sein.

Quelle: Pexels/Sora Shimazaki

Sekretär*in

… als Sekretär*in erledigst du Büro- und Assistenzaufgaben und sorgst so für die Entlastung aller Mitarbeitenden.

Quelle: Pexels/Karolina Grabowska

Buchhalter*in

… als Buchhalter*in beschäftigst du dich mit den Einnahmen und Ausgaben eines Unternehmens. Du erstellst Rechnungen, prüfst Zahlungseingänge und Eingangsrechnungen, überwachst Konten, steuerst finanzwirtschaftliche Vorgänge und gewährleistest die reibungslose Organisation des Finanz- und Rechnungswesens eines Unternehmens.

Quelle: Pexels/RODNAE Productions

Hausmeister*in

… als Hausmeister*in stellst du sicher, dass Gebäude, Grundstücke und eventuell Anlagen gewartet, gepflegt und instandgehalten werden.

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