Quelle: Pexels/Julia M Cameron
#wächstwieder

Schreibtisch der Zukunft:
Mit nachwachsenden Rohstoffen lernen und arbeiten

Quelle: Julia Dolinsky

Julia Dolinsky, 24 years

Essenzielle Elektrogeräte wie Computer, Tastatur oder Maus kommen selten ohne Kunststoff aus – das Gleiche gilt für kleinere Verbrauchsmaterialien wie Kugelschreiber, Ordner, Schnellhefter und Textmarker. Eine Lösung für das „Plastikproblem“ könnten in Zukunft nachwachsende Rohstoffe sein: Sie bilden die Basis für viele Dinge, die es ermöglichen, den „Schreibkram“ nachhaltiger zu gestalten.

Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 17,9 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. In jeder Phase des Plastik-Lebenszyklus‘ werden Kohlendioxid, Methan und andere Treibhausgase freigesetzt: Das beginnt, wenn fossile Rohstoffe gewonnen, raffiniert und in energieintensiven Verfahren verarbeitet werden, und endet, wenn Kunststoffabfälle in der Müllverbrennungsanlage landen. Gelangt Plastik nach Gebrauch aber einfach in die Umwelt, kann es Jahrzehnte dauern, bis es zerfällt. Und auch damit verschwindet es nicht einfach aus der Welt, Stichwort Mikroplastik: Übrig bleiben selbst dann winzige Plastikteilchen, die über verschieden Wege in die Natur, in Gewässer und in die Nahrungsketten gelangen. Um gebrauchte Kunststoffabfälle umweltschonend zu beseitigen, müssen sie entweder energetisch verwertet, also verbrannt, oder recycelt werden.

Erdöl ist begrenzt verfügbar

Ein großes Problem in der Kunststoffproduktion ist außerdem der Rohstoff, aus dem es gemacht wird: Erdöl. Denn das ist ein endlicher und nicht-nachwachsender Rohstoff. Derartige begrenzte Ressourcen werden der Erde irgendwann nicht mehr zur Verfügung stehen. Laut Dr. Lisa Mundzeck vom Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe der Hochschule Hannover, bestehe das Potenzial von biobasierten Rohstoffen vor allem darin, Erdöl als endliche Ressource aktiv einzusparen. Tendenziell könne die Nutzung nachwachsender Rohstoffe die begrenzten Erdölvorräte schonen und im durchschnittlichen Vergleich mit herkömmlichen erdölbasierten Rohstoffen die CO2-Emissionen verringern.

Bioplastik als Alternative?

Als Biokunststoff oder auch Bioplastik werden Kunststoffe bezeichnet, die auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen erzeugt werden oder biologisch abbaubar sind. Wichtig zu wissen ist, dass nicht jeder biobasierte Kunststoff auch biologisch abbaubar und damit kompostierbar ist. Laut WWF sind Biokunststoffe nur umweltfreundlicher als erdölbasierte Kunststoffe, wenn ihre nachwachsende Rohstoffbasis nachhaltig gewonnen wird und sie konsequent im Kreislauf geführt werden. Was heißt das? Ganz einfach: Der Wertstoffkreislauf schließt sich, wenn biobasiertes und biologisch abbaubares Plastik gesammelt, verarbeitet und zu einem neuen Produkt verarbeitet wird. Oder wenn es als Kompost auf dem Feld landet und so wieder zur Erzeugung von nachwachsenden Rohstoffen beiträgt. Dann schließt sich der Kreis.

Die Biomasse, also die nachwachsende Rohstoffbasis für biobasierte Kunststoffe, wird beispielsweise aus Mais, Zuckerrohr oder Zellulose gewonnen. Produkte aus biobasiertem Kunststoff oder aus Holz unterscheiden sich demnach in ihrem Ursprung und ihrer Beschaffenheit voneinander. Aktuell stehen in der Forschung der Hochschule Hannover außerdem Reststoffe und ihre Weiternutzung im Fokus. Sie entstehen bei der Herstellung, der Weiterverarbeitung oder nach der Nutzung verschiedenster Produkte. Potenzial haben sie als Rohstoffquelle für biobasierte Kunststoffe oder als Verstärkungs- und Füllstoffe:

Polylactid ist ein nicht natürlich vorkommender Polyester, der über eine mehrstufige Synthese aus Zucker hergestellt wird. In seiner Beschaffenheit ähnelt es dem Plastik auf Rohölbasis –je nach Bedarf kann es sowohl in feste als auch in elastische, folienartige Form gebracht werden. Es werden heute bereits Büro-Utensilien, Textilien, Autoteile und medizinische Implantate aus PLA hergestellt.

Biochemisch betrachtet ist Zellulose der Hauptbestandteil von Bäumen und Pflanzen. Dort sorgt sie mit einem Massenanteil von rund 50 Prozent für die Stabilisierung der Zellwände. Gewonnen werden die Zellulosefasern durch den sogenannten Aufschluss des Holzes. Gemeint ist damit die mechanische oder chemische Zerlegung von Holz in Holzfasern. Zellulose ist ein wichtiger Hauptbestandteil der Papierproduktion und wird somit auch als Rohstoff für Kunststoffersatzprodukte aus Karton, Pappe oder Papier genutzt. Allerdings: Nachhaltig ist die ganze Sache nur, wenn das Holz nicht aus Raubbau stammt und wieder nachgepflanzt wird. Oder noch besser, wenn möglichst viel recyceltes Papier zur Anwendung kommt.

Lignin ist neben Zellulose einer der Hauptbestandteile von Holz; es lässt sich aber auch aus Chinaschilf oder Stroh gewinnen. Lignin kann sowohl biologisch als auch durch verschiedene chemisch-technische Verfahren gewonnen werden. Bei der biologischen Ligningewinnung wird Holz durch Bakterien und vor allem Pilze zersetzt. Lignin ist laut aktuellem Forschungsstand eine mögliche Alternative zu Erdöl in der Kunststoffindustrie.

Nachwachsende Rohstoffe im Arbeitsalltag

Kugelschreiber, Textmarker und Filzstifte werden im Büroalltag oder im Home Office besonders häufig genutzt und müssen dementsprechend oft ausgetauscht werden. Nachfüllbare Produkte können dank mehrfacher Nutzung nachhaltigere Alternativen sein. Noch besser ist es, wenn sie aus Biokunststoff oder Holz hergestellt sind. Das ist – zumindest in Bezug auf die Alternativen zu klassischem Plastik – bislang nicht gerade die Regel, aber ein paar Dinge wie beispielsweise Organizer, Stiftehalter oder Anspitzer aus nachwachsenden Rohstoffen gibt es bereits. Mehr zu biobasierten Produkten fürs Büro und Homeoffice findest du hier. Mit etwas mehr Achtsamkeit ist es möglich, Nachhaltigkeit und nachwachsende Rohstoffe in den Alltag zu integrieren und auch während der Arbeit verantwortungsbewusst mit Ressourcen umzugehen:

Sei es Druckerpapier, Klebeband oder Klarsichtfolien: Der schnelle Griff zu konventionellen Produkten lässt sich mit etwas Übung kontrollieren. Es gibt bereits ein breites Angebot an Ersatzprodukten aus nachwachsenden Rohstoffen, die den klassischen Produkten in nichts nachstehen. Das Klebeband der Marke Klebio ist transparent, wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und ist darüber hinaus vollständig kompostierbar. Auch Elektrogeräte gibt es, zumindest teilweise, aus nachwachsenden Rohstoffen: Die Firma Nager IT verkauft Computermäuse, deren Gehäuse aus Biokunststoff auf der Basis von Zuckerrohr besteht. Darüber hinaus findet ihr auf der Webseite der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe eine breite Palette von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen.

Nachfüllbare Stifte, beispielsweise Filzstifte und Marker mit nachfüllbarer Tinte oder Kugelschreiber mit nachfüllbaren Minen, sind eine kostengünstige Alternative zu Einmalprodukten. Wenn es sich dann noch um Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen handelt, umso besser.

Zu einem verantwortungsbewusstem Umgang mit Materialien am Arbeitsplatz gehört eine richtige Mülltrennung. Papier und Kunststoff sollten voneinander getrennt entsorgt werden, um anschließend recycelt werden zu können. Für einige Produkte bleibt die Entsorgung über die Resttonne unabdingbar: Dies gilt vor allem für Filzstifte, Kugelschreiber sowie für Bunt- und Bleistifte.

Nicht nur die Arbeit am Schreibtisch, auch die Arbeitswelt allgemein kann von nachwachsenden Rohstoffen beeinflusst werden. „Ganz grundsätzlich können Biokunststoffe in zahlreichen Bereichen der Arbeitswelt eingesetzt werden, nicht nur auf dem Schreibtisch“, erklärt Dr. Lisa Mundzeck. Viel wichtiger sei aber: Ein steigender Einsatz von Biokunststoffen wird auch anderweitig Einfluss auf die Arbeitswelt haben. Es wird mehr Arbeitsplätze in der Biokunststoffindustrie geben und die Produktionsabläufe werden sich deutlich von denen in der „fossilen“ Plastik-Industrie unterscheiden. Auch das Thema Recycling wird einen viel höheren Stellenwert bekommen, so Mundzeck: „Das Etablieren einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sowohl mit Bio- als auch mit herkömmlichen Kunststoffen, erläutert sie, „kann in der Arbeitswelt eine Menge verändern, wenn man allein an die Landwirtschaft denkt, die Recyclingindustrie, die Abfallwirtschaft.“

Quelle: China Hopson

Dr. phil. Lisa Mundzeck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Hannover, Abteilung Bioverfahrenstechnik, Forschungsbereiche: Biokunststoffe und Materialentwicklung. Seit Gründung des Instituts für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) 2011 ist sie auch für die Öffentlichkeitsarbeit des Instituts zuständig.

Jobs für die Zukunft

Es wird in Zukunft eine Menge neue Betätigungsfelder auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe geben. Falls auch du dich für diese und generell eine Wirtschaft mit mehr Nachhaltigkeit interessiert, hätten wir da was für dich:

Quelle: Pexels/ThisIsEngineering

Technische*r Assistent*in für nachwachsende Rohstoffe

… als Technische*r Assistent*in für nachwachsende Rohstoffe absolvierst du eine zweijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule und sammelst Praxiserfahrung in einem Praktikumsbetrieb. Technische Assistent*innen für nachwachsende Rohstoffe überwachen und warten Anlagen zur Produktion von Energie oder von Produktionsgütern aus nachwachsenden Rohstoffen. Dabei achten sie auf die Einhaltung von Umweltschutzbestimmungen und der Regelungen zum Einsatz erneuerbarer Energien.

Quelle: Pexels/RF._.studio

Ingenieur*in für erneuerbare Energien

… als Ingenieur*in für erneuerbare Energien musst du zuvor ein Grundlagenstudium im Bereich Erneuerbare Energien absolviert haben. Ingenieur*innen für erneuerbare Energien entwickeln, planen, betreiben und überwachen Anlagen zur Nutzung regenerativer Energiequellen. Dazu zählen Windkraftwerke, Photovoltaikanlagen, solarthermische und geothermische Systeme oder Anlagen, die aus Biomasse Wärme oder nutzbares Gas gewinnen.

Quelle: Pexels/DESPIERRES Cécile
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Die Rettung wächst nach

Quelle: Antonia Tebbe

Antonia Tebbe, 24 years

Jute statt Glaswolle, Strom aus der Biogasanlage und Kaffeetassen aus geschreddertem Mais? Nachwachsende Rohstoffe sind eine der wichtigsten Werkzeuge im Kampf gegen den Klimawandel und die Ausbeutung der Ressourcen unseres Planten. Ist es damit möglich, eine nachhaltige Zukunft anzubauen?

Jedes Jahr berechnet die Organisation Global Food Print Network den Earth Overshoot Day. Bis zu diesem Termin wird die Menschheit weltweit die Menge an Ressourcen aufgebraucht haben, welche die Natur innerhalb eines Jahres wiederherstellen kann – und regelmäßig liegt dieser Tag lange vor Jahresende. Gegenwärtig verbraucht die Menschheit 74 Prozent mehr, als die Ökosysteme des Planeten regenerieren können. Neben dem Ressourcenverbrauch fließt auch der weltweite Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlenstoffdioxid (CO2), den die Natur innerhalb eines Jahres kompensieren kann, in die Berechnung mit ein.

In den letzten Jahren rutschte der Earth Overshoot Day immer weiter nach vorne, 2021 auf den 29. Juli. Würde die ganze Weltbevölkerung konsumieren wie die Einwohner*innen Deutschlands, wären sogar schon am 5.Mai.2021 alle zur Verfügung stehenden Ressourcen für das Jahr aufgebraucht gewesen! Die stetig wachsende Weltbevölkerung bräuchte derzeit 1,74, bei deutschen Konsummaßstäben sogar 2,9 Erden, um ihren Bedarf an Ressourcen ohne Ausbeutung der Natur zu decken.

2,9 Erden

Was also tun? Ganz einfach, oder? Der enorme menschliche Ressourcenverbrauch muss eben drastisch sinken. Den Verbrauch stark zu reduzieren ist, gerade im Angesicht von Bevölkerungswachstum, zunehmendem Wohlstand und somit gesteigertem Konsum auch in ärmeren Ländern, ohne den Willen zum Verzicht jedes Einzelnen, leider eine Utopie. Gerade deswegen wäre es zumindest Teil einer Lösung, die überall verwendeten endlichen Ressourcen Schritt für Schritt durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzten. Sie bieten eine realistische Möglichkeit, dem CO2-Ausstoß und dem übermäßigen Verbrauch von fossilen Rohstoffen etwas entgegen zu setzten. Eine solche umfassende Umorganisation der Wirtschaft mittels nicht-endlicher Rohstoffe, hätte gewaltigen Einfluss auf vielen Ebenen und birgt die Kraft, dringend benötigte Veränderung im globalen Stil herbeizuführen.

 

Wie hängen nachwachsende Rohstoffe und wirtschaftliche Chancen zusammen?

Unter nachwachsenden Rohstoffen versteht man Produkte, die in der Land- oder Forstwirtschaft erzeugt werden und im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder -gas, bei entsprechender Nutzung, nicht erschöpfbar sind. Sie können also, in der Theorie, immer wieder neu angebaut, geerntet und verwendet werden, solange der Verbrauch nicht die Geschwindigkeit ihrer Regeneration übersteigt. Auch metallische und mineralische Rohstoffe, wie Eisen oder die Grundbestandteile von Beton, sollten möglichst durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen haben oft noch einen weiteren Vorteil: Anders als zum Beispiel „normales“ Plastik verrotten sie und liegen oder schwimmen also nicht jahrzehnte- oder gar jahrhundertelang in der Natur oder im Meer herum. Welche Produkte biobasiert sind, aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und welches Umweltgütezeichen sie haben, erfährst du auf dieser Seite.

 

Was zählt zu den nachwachsenden Rohstoffen?

Mit nachwachsenden Rohstoffen sind Substanzen gemeint, die als Energiequelle für die Erzeugung von Wärme, Strom und Kraftstoffen eingesetzt werden oder stofflich, zum Beispiel für die Herstellung von Möbeln, Arzneimitteln und Kleidung, genutzt werden. Gerade für die stoffliche Nutzung bieten sich riesige Einsatzgebiete, neben Chemie- oder Möbelbranche beispielsweise im Bereich der Verpackungs-, Auto- oder Bauindustrie. Wie genau das Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen funktioniert, erfährst du in dieser Videoreihe, am Beispiel von klimafreundlichen Dämmmaterialien. Doch auch Schuhe, Kosmetik, Klopapier und sogar Seife können aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.

 

Quelle: Pexels/Clem OnojeghuoBekannte Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen für die energetische Nutzung sind Biodiesel und Biogas. Energiepflanzen, die in Deutschland zu deren Erzeugung angebaut werden sind zum Beispiel Raps, Mais, Rüben und Getreide. Ganz klassisch zählt natürlich auch Holz, wie es der Mensch seit Jahrtausenden zum Heizen und Kochen verwendet, zu den Energiepflanzen. Nahrungs- und Futtermittel zählen übrigens nicht zur Gruppe der nachwachsenden Rohstoffe. Manche Pflanzen sind allerdings für mehrere Zwecke nutzbar. Mais zum Beispiel lässt sich gleich vierfach einsetzen: Man kann ihn essen, man kann ihn verfüttern, man kann Biogas oder -treibstoff draus machen und es lassen sich sogar Dinge daraus herstellen.

 

Was haben nachwachsende Rohstoffe mit dem Klimawandel zu tun?

Quelle: Pexels/Livier GarciaAuch nachwachsende Rohstoffe sind nicht unbedingt klimaneutral. Denn bei ihrem Anbau, bei der Verarbeitung und beim Transport wird bislang oft CO2 freigesetzt, das aus fossilen Quellen stammt. Hinzu kommt, dass sich der Intensivanbau von Pflanzen wie Mais oder Raps, der oftmals unter Einsatz von Pestiziden und in Monokulturen erfolgt, negativ auf Umwelt und Klima auswirkt. Und nicht selten transportieren die fossil-betriebenen Landmaschinen Biomasse über weite Strecken zur passenden Biogasanlage – ebenfalls nicht ideal.

Dennoch tragen nachwachsende Rohstoffe, auch bei ihrer Nutzung in Form von Bioenergie, zur Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase bei. Denn nachwachsende Rohstoffe entlassen bei ihrer Verbrennung nur so viel CO2 in die Erdatmosphäre, wie sie vorher während ihres Wachstums aufgenommen haben. Ganz anders ist das bei fossilen Brennstoffen. Das Kohlendioxid, das bei ihrer Verbrennung entsteht, war in abgewandelter Form vormals tief unter der Erde begraben und wäre ohne menschliches Zutun nicht in die Atmosphäre gelangt, Stofflich genutzt, können Holz, Pflanzenfasern und Co. Kohlendioxid sogar über viele Jahrzehnte hinweg binden. Zum Beispiel in Form eines Holzhauses: Das CO2, dass die Bäume während ihres Lebens aufgenommen und in Form von Kohlenstoff gespeichert haben, bleibt im Holz des Hauses erhalten, solange das nicht abbrennt oder verrottet.

86% der erneuerbaren Wärme

Es ist also folgerichtig, dass nachwachsende Rohstoffe einen immer größeren Anteil unseres Energieverbrauchs decken. 86 Prozent der erneuerbaren Wärme (also der Wärmeenergie, die nicht aus fossilen Brennstoffen entsteht) stammen aus nachwachsenden Rohstoffen. Der Anteil, den Bioenergie an der gesamten erneuerbaren Stromversorgung hat, liegt immerhin bei 20 Prozent. Zur Einordnung: Rund 45 Prozent des gesamten deutschen Stroms stammten 2020 aus erneuerbarer Energie, bei der Wärme sind es rund 15 Prozent. Nachhaltig verwendet, bringen nachwachsende Rohstoffe auch sonst eine Reihe von Vorteilen mit sich. Wird beispielsweise Wert auf lokalen Anbau und Nutzung gelegt, können klimaschädliche Transportwege verkürzt werden und das jeweilige Land kann seine Versorgung etwas unabhängigerer Ländern sichern. Reiche Länder wie Deutschland können so ihren CO2-Ausstoß verringern und Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten schaffen oder erhalten. Arme Länder können ihren Energiebedarf unabhängig von Erdöl oder Erdgas, das sie teuer importieren müssten, decken und noch etwas hinzuverdienen, indem sie nachwachsende Rohstoffe exportieren.

 

Also alles super – oder doch nicht?

Wo viel Licht ist, ist auch Schatten: Auch die steigende Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen bleibt nicht ohne Probleme. Einer davon ist die Konkurrenz des Anbaus von Nahrungsmitteln mit nachwachsenden Rohstoffen, die besonders die Menschen in ärmeren Ländern betrifft. Zum Beispiel können die Preise für Mais, der in manchen Ländern ein Grundnahrungsmittel ist, steigen, weil die Nachfrage wächst – denn Mais ist eben auch ein prima nachwachsender Rohstoff, siehe weiter oben. Die Folge: Die Menschen müssen nun viel mehr für Nahrungsmittel bezahlen, was die ärmeren von ihnen oft nicht können. Ein weiteres Problem entsteht natürlich auch durch die steigende Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen: Anbauflächen werden vergrößert, auf Kosten von natürlichen Ökosystemen. Da wo früher Regenwald war, wachsen heute Zuckerroher und Ölpalmen, statt intakter Wälder gibt es nun artenarme Plantagen.

Um die Vorteile nachwachsender Rohstoffe zu nutzen, muss also – auch in Deutschland und anderen Industrienationen – auf eine ausgeglichene Anbauwirtschaft geachtet werden. Beispielsweise sollten Monokulturen vermieden werden. Ganzheitliche Konzepte können Naturschutz und Nachhaltigkeit mit ertragreicher Landwirtschaft verbinden. Nachhaltigen Anbau und eine ebensolche Nutzungsweise vorausgesetzt, sind nachwachsende Rohstoffe ein wertvoller Baustein in der Bekämpfung des Klimawandels und bieten Chancen in der Bekämpfung einer Reihe gesellschaftlicher Probleme. Lokale Wertschöpfung kann entstehen und fossile Ressourcen können geschont werden.

Quelle: Pixabay/Adina Voicu
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Insekten – Lokaler Rohstoff der Zukunft?

Quelle: Lena Müller

Lena Müller, 32 years

Ohne Insekten würde unser gesamtes Ökosystem nicht funktionieren – etwa 88 Prozent der Bestäubungsarbeit wird durch Insekten verrichtet. Dass diese bald auch als nachwachsender Rohstoff genutzt werden können, daran wird zurzeit geforscht.

Ein unscheinbares Gewächshaus in Baruth in Brandenburg. Wer darin die Anzucht von Pflanzen erwarten würde, läge falsch: Es handelt sich hierbei um ein hochmodernes Biotech-Unternehmen, die Hermetia Baruth GmbH. In diesem Gewächshaus wird daran gefeilt, eine wirtschaftliche Fliegenzucht aufzubauen. Das Hauptinteresse gilt dabei jedoch gar nicht den ausgewachsenen Fliegen. Diese sind nur für die Fortpflanzung und damit für die Produktion von Nachwuchs interessant. Stattdessen werden vor allem die Larven der späteren Insekten betrachtet, denn aus deren Biomasse lassen sich Insektenproteine und -fette gewinnen.

Seit 2017 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt „Competitive Insect Products“. Das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig, 130 Kilometer südwestlich des Fliegen-Gewächshauses, kooperiert für diese Forschung mit der Hermetia Baruth GmbH. Der Grund: Da sich Insekten enorm schnell vermehren, werden sie als nachwachsender Rohstoff der Zukunft gehandelt. Momentan gibt es jedoch noch einen entscheidenden Haken: Die Produktion der Insekten ist bislang nicht wirtschaftlich und somit auf dem Markt nicht wettbewerbsfähig. Harald Wedwitschka, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DBFZ und sein Team forschen deswegen daran, welche Teile der Insektenzucht ökonomischer gemacht werden können.

Aber noch mal zum Anfang: Warum Insekten? Insekten haben einen hohen Fett- und Proteingehalt. Harald Wedwitschka betont, dass das Fett der Insekten zukünftig weniger nachhaltige Rohöle wie Palmöl, Rizinus- und Kokosöl ersetzen könnte. Im Gegensatz zu den genannten Ölen kann Insektenfett lokal erzeugt werden und hat somit keine langen Transportwege hinter sich, wenn es zum Einsatz kommt. Wedwitschka berichtet, dass es außerdem oft zu Lieferengpässen bei den importierten Ölen komme. Auch dieses Problem könnte durch Insektenfett vermindert werden.

 

Ersatz für Fisch und Soja

Das Protein von Insekten kann außerdem zu Tierfutter hinzugesetzt werden. So lässt sich der Anteil des bisher verwendeten Sojas und Fischmehls verringern. Beides ist aus ökologischer Sicht sehr bedenklich. Rund 80 Prozent des weltweit angebauten Sojas wird für Tierfutter verwendet und um der steigenden Nachfrage an Tierfutter gerecht zu werden, steigt auch der Anbau von Soja. Dafür werden Regenwaldflächen gerodet und Monokulturen angelegt. Fischmehl wird aus Fisch hergestellt. Durch die großen Mengen Fisch, die so mittlerweile nicht nur von Menschen, sondern auch von Nutztieren konsumiert werden, sind über 30 Prozent der kommerziell genutzten Bestände überfischt. Bei weiteren 60 Prozent liegt die Nutzung am Limit.

Insekten können hier eine Lösung sein, denn sie stellen eine nachwachsende und lokale Ressource dar. Dipl.-Ing. Heinrich Katz, Mitbegründer und kaufmännischer Leiter der Hermetia Baruth GmbH, betont, dass es die Hauptaufgabe der Insekten in der Natur sei, aus Reststoffen körpereigene Fette und Proteine herzustellen – um dann als Nahrung für höhere Tiere zur Verfügung zu stehen. Sie könnten so auch einen entscheidenden Faktor in lokalen Kreislaufwirtschaften stellen.

 

Produktion der Biomasse aus Insekten

In Baruth wird vor allem an einer aus Lateinamerika stammenden Fliege geforscht. Die Schwarze Soldatenfliege braucht im Gegensatz zu der bei uns heimischen Stubenfliege als ausgewachsenes Tier kein Futter. Während ihres zwölftägigen Lebenszyklus als erwachsene Fliege kümmert sie sich nur um die Fortpflanzung. Alle Energie, die sie dafür braucht, nimmt sie bereits als Larve zu sich. Für die Produktion und Nutzung der Larven, leben die Tiere der Schwarzen Soldatenfliege im Gewächshaus in Baruth in Gefangenschaft und pflanzen sich stetig fort. Ein Teil der Eier entwickelt sich zu Larven und weiter zu ausgewachsenen Fliegen. Diese Fliegen pflanzen sich wieder fort, um weitere Eier zu legen, aus denen sich erneut Larven entwickeln. Der für die Vermehrung nicht benötigte Teil Larven wird für die Biomasseherstellung genutzt. Diese Larven dürfen sich ordentlich dick fressen. Bevor sie sich zu Fliegen entwickeln, werden sie getötet, bei 90° C getrocknet und grob gesagt in Insektenmehl, Insektenfett und einen Restteil verarbeitet.

Die Forschenden im Biomasseforschungszentrum in Leipzig nehmen Punkte unter die Lupe, die noch Probleme bereiten: Wie kann der „Rohstoff“ Insekt wirtschaftlich werden und wie können wir den Teil, der nicht Mehl oder Fett wird, weiternutzen? Harald Wedwitschka und sein Team nehmen dafür viele verschiedene Stellschrauben unter die Lupe. „Nachhaltige und kostengünstige Rohstoffe und Herstellungsverfahren, Nutzung erneuerbarer Energien in der Produktion und die Arbeit an einer Freigabe von Rest- und Abfallstoffen als Futterstoff, sind nur einige der vielen Möglichkeiten, die an der Produktionskette optimiert werden können“, berichtet Wedwitschka. Um es greifbarer zu machen: Die Schwarze Soldatenfliege gilt gesetzlich als Nutztier. Und das Futter, welches Nutztiere fressen, muss entsprechend zugelassen und zertifiziert sein. Zertifizierungen aber sind in der Regel eine teure Angelegenheit.

Deswegen beforscht Harald Wedwitschka in Leipzig Nährmittel, die nicht in Konkurrenz zu Futtermitteln stehen und möglichst günstig und regional zu bekommen sind. Das sind Stoffe wie Maissilage, Biertreber oder Hühnerkot. „Wir untersuchen gemeinsam mit der Hermetia Baruth GmbH verschiedenste Einsatzstoffe auf ihre Eignung und testen Koppelprodukte und Reststoffe der Insektenzucht“, so Wedwitschka, „zum Beispiel als Biogassubstrat oder Rohstoffe für technische Anwendungen.“ Die genannten Reststoffe, die weder Mehl noch Fett sind, enthalten noch sehr viel Energie. So viel Energie, dass sie – soweit das Gesetz es zulässt – als Substrat für die Herstellung von Biogas genutzt werden können. So entsteht das Potential für eine Kreislaufwirtschaft, denn die Wärme, die Biogasanlagen produzieren, kann wiederum für die Aufzucht der Larven genutzt werden – diese fühlen sich nämlich bei einer bestimmten Temperatur am wohlsten.

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Video: Fliegende Proteinquellen – Auf der Insektenfarm (Hermetia Baruth GmbH)

Insekten essen oder „ausbeuten“ – vertretbar oder nicht?

Momentan rückt die Ausbeutung von Nutztieren durch den Menschen immer mehr in den Fokus der Gesellschaft. Es stellt sich somit die Frage, ob nun die Forschung an Insekten als neue Ressource überhaupt zukunftsfähig ist. Die Anzahl an veganen, also tierfreien Produkten ist in den letzten Jahren zusehends gestiegen. Nicht nur bei Lebensmitteln, auch im Non-Food-Bereich. Die Argumente von Katz und Wedwitschka sind jedoch einleuchtend: Insekten können Ressourcen, die von weit weg importiert werden müssen, ersetzen. Sie können problematischen Monokulturen dadurch vorbeugen, dass es weniger Palmöl- oder Sojaplantagen braucht. Und ist die Forschung erfolgreich, können, die Fliegen nicht nur regional, sondern auch nachhaltig (Stichwort Kreislaufwirtschaft) aufgezogen werden. Wedwitschka wendet jedoch ein, dass der nachhaltigste Weg wäre, die Insekten zu essen, anstatt sie über Tierfutter oder Schmierstoffe auf den Markt zu bringen. Die Akzeptanz für insektenbasierte Lebensmittel ist jedoch im globalen Norden bisher vergleichsweise gering.

Heinrich Katz argumentiert außerdem, dass sowohl durch Auto- wie auch durch Bahnverkehr viele Insekten sterben müssten – deren Tod wir auch billigend in Kauf nehmen. Und es geht noch weiter mit der „Ausbeutung“ von Insekten, wie Katz erläutert: „Wir setzen Nützlinge ein, die Schädlinge auffressen oder parasitieren, damit wir Gemüse und Früchte ernten können.“ Hierbei fressen Insekten wiederum Insekten – gesteuert durch den Menschen. Dank dieser Nutzungsweise von Insekten kann in der Landwirtschaft der Einsatz von chemischen Pestiziden verringert werden. Man sieht: Insekten sind auch unabhängig von der Rohstoffnutzung bereits eine ökonomische Ressource.

Klar ist: Wir benötigen nachwachsende Rohstoffe, um zukünftig die Ausbeutung unseres Planeten zu vermindern. Klar ist auch: Bei diesen nachwachsenden Rohstoffen handelt es sich um Lebewesen – was unvermeidlich kontroverse Meinungen mit sich bringen wird. Vielversprechend klingt das Forschungsvorhaben allemal. Und vermutlich notwendig.

Quelle: DBFZ

 

Harald Wedwitschka ist studierter Biotechnologe und Umweltwissenschaftler und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Biomasseforschungszentrum GmbH. Sein Forschungsgebiet beinhaltet die Untersuchung biotechnischer Ansätze zur kombinierten stofflichen und energetischen Nutzung von Biomasse.

Quelle: Privat

Dipl.-Ing. Heinrich Katz ist der kaufmännische Leiter der Hermetia Baruth GmbH und verantwortlich für die Organisation und die externe Kommunikation. Hermetia war im Jahr 2006 die erste Einrichtung, der der Aufbau einer signifikanten und stabilen Zucht der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens) in Europa gelang. Die Firma hat für die Massenproduktion der Larven einen Bioreaktor entwickelt, der weltweit vertrieben wird. Die Aufbereitung der Larvenmasse zu proteinreichem Mehl und Öl wurde ebenfalls von der Hermetia entwickelt.

Jobs für die Zukunft

Es wird in Zukunft eine Menge neue Betätigungsfelder auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe geben. Falls auch du dich für diese und generell eine Wirtschaft mit mehr Nachhaltigkeit interessiert, hätten wir da was für dich:

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Ingenieurswissenschaftler*in

… als Ingenieurwissenschaftler*in beschäftigst du dich mit der Forschung, Entwicklung sowie Produktion und dem Betrieb von technischen Anwendungen.

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Maschinenbauingenieur*in bzw. Bauingenieur*in

… es gibt auch die Möglichkeit einer bestimmten Spezialisierung, zum Beispiel zur/zum Maschinenbauingenieur*in oder Bauingenieur*in. In all diesen Bereichen werden nachwachsende Rohstoffe in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.

Quelle: Pexels/Chokniti Khongchum

Biotechnolog*in

… als Biotechnolog*in verfügst du über Wissen von biologischen Grundlagen mit der Anwendung in der Industrie, Medizin und Landwirtschaft. Ein zentrales Aufgabengebiet kann die Weiterentwicklung von nachwachsenden Rohstoffen sein.

Quelle: Pexels/Sora Shimazaki

Sekretär*in

… als Sekretär*in erledigst du Büro- und Assistenzaufgaben und sorgst so für die Entlastung aller Mitarbeitenden.

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Buchhalter*in

… als Buchhalter*in beschäftigst du dich mit den Einnahmen und Ausgaben eines Unternehmens. Du erstellst Rechnungen, prüfst Zahlungseingänge und Eingangsrechnungen, überwachst Konten, steuerst finanzwirtschaftliche Vorgänge und gewährleistest die reibungslose Organisation des Finanz- und Rechnungswesens eines Unternehmens.

Quelle: Pexels/RODNAE Productions

Hausmeister*in

… als Hausmeister*in stellst du sicher, dass Gebäude, Grundstücke und eventuell Anlagen gewartet, gepflegt und instandgehalten werden.

Quelle: Pixabay/oranfireblade
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Aus Holz und Algen: Mode, die nachwächst

Quelle: Cabea Belusa

Cabea Belusa, 25 years

Mode und nachwachsende Rohstoffe, ist das nicht ein alter Hut? Schließlich ist doch praktisch jedes T-Shirt aus Baumwolle! Das stimmt nur bedingt und die herkömmliche Baumwolle ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Wie wär’s denn mal mit Shirts aus Holz oder Algen?

Zuerst einmal: Mit gefühlten Wahrheiten ist das so eine Sache. Selbst wenn bei uns die meisten T-Shirts aus Baumwolle wären – wir tragen ja in der Regel mehr als das Shirt. Der Anteil von Naturfasern an der gesamten Faserproduktion sinkt seit Jahrzehnten und ist mittlerweile bei gerade mal rund 30 Prozent angekommen. Der größte Teil davon ist tatsächlich Baumwolle. Und der aller größte Teil von diesem größten Teil ist leider überhaupt nicht nachhaltig: Wusstest du, dass ein T-Shirt aus konventioneller Baumwolle beim Anbau mit rund 150 Gramm Pestiziden belastet wird und einmal um die halbe Welt fliegt, bevor es im Geschäft landet? Dass der Anbau der Baumwolle für das eine Shirt 2000 Liter Wasser verbraucht? Und das nicht mal ein Prozent der gesamten weltweit produzierten Baumwolle aus biologischem Anbau stammt?

 

Fast hundertprozentig unnachhaltig

Man könnte also sagen: Fast 100 Prozent der weltweiten Textilfaserproduktion sind nicht nachhaltig. Entweder stammen die Fasern aus fossilen Rohstoffen (Erdöl) und verursachen damit noch mehr CO2-Emissionen als zum Beispiel Baumwolle. Oder sie stammen eben aus Baumwolle, bringen damit den Wasserhaushalt ganzer Regionen durcheinander, vergiften Grundwasser und Böden, gefährden die Artenvielfalt und können über einen längeren Zeitraum auch gefährlich für die Bauern sein. Bio-Baumwolle ist da schon ein Schritt in die richtige Richtung, da zum Beispiel keine Pestizide eingesetzt werden müssen. Das Wasserproblem bleibt allerdings größtenteils bestehen. Deshalb ist es gut, dass es noch weitere nachwachsende Rohstoffe gibt, die in der Mode eingesetzt werden können – und diese sind noch nachhaltiger. Sie verbrauchen also unter anderem weniger Ressourcen, belasten die Umwelt weniger und verursachen weniger CO2-Emissionen.

 

Darum das Ganze – Fast Fashion vs. nachhaltige Mode

Bevor wir uns aber weiter damit befassen, sollten wir uns in Erinnerung rufen, warum nachhaltige Mode so wichtig ist. Ein Begriff, der in den letzten Jahren sehr bekannt geworden ist, ist „Fast Fashion“ oder auf Deutsch, „Schnelle Mode“. Das klingt erstmal gut, niemand möchte ewig lange warten, auch nicht auf Kleidung. Allerdings versteckt sich viel mehr hinter diesem Wort. Fast Fashion bezeichnet Kleidung, die billig produziert und für wenig Geld verkauft wird, damit man sich häufiger neue kaufen kann. Die Produktion von Fast Fashion zielt darauf ab, so schnell wie möglich neue Kleidung herzustellen, neuen Trends zu folgen oder eigene zu setzen, um die Kund*innen dazu zu bringen, sich ständig Neues zu kaufen. Durch die billige Produktionsweise haben diese Kleidungsstücke auch kein langes Leben, sie verziehen sich schnell, Löcher entstehen und Fäden reißen, weil sie schon von Anfang an nicht vernünftig vernäht waren.

Wenn die Kleidungsstücke aus Kunstfasern bestehen, löst sich mit jedem Waschen Mikroplastik ab und gelangt in unser Grundwasser und das Meer. Die International Union for Conservation of Nature hat sogar herausgefunden, dass 34,8% des Mikroplastiks in unseren Meeren von Kleidung aus Kunstfasern kommt. Ach ja, und die Textilindustrie verursacht mehr CO2-Emissionen als Flugverkehr und Schifffahrt zusammen. Damit alles so billig bleiben und schnell produziert werden kann, werden Arbeiter*innen in ärmeren Ländern oft ausgebeutet und schlecht bezahlt, Kinderarbeit ist ein weiteres Problem.

 

Lyocell, die Faser aus Holz

Doch kommen wir endlich wieder zurück zu der Frage, ob Bio-Baumwolle der einzige für die Herstellung von Kleidung brauchbare nachwachsende Rohstoff ist, und die Antwort lautet: Nein! Es gibt noch mehr. Unter anderem Lyocell, eine biologisch abbaubare Cellulosefaser, die bereits jetzt schon von großen Modeketten verwendet wird, und SeaCell, eine Faser, die aus Algen gewonnen wird, bisher aber weniger massentauglich ist. Beide Fasern sind biologisch abbaubar und bestehen aus natürlichen und nachwachsenden Rohstoffen.

Lyocell wird auch oft als Tencel bezeichnet und besteht also aus Cellulose. Die Fasern werden aus Holzschnipseln hergestellt, wobei vom Hersteller Lenzing auf nachhaltige Forstwirtschaft geachtet wird. Das bedeutet, dass nur so viele Bäume gefällt werden, dass es dem Wald nicht schadet. Um diese Holzschnipsel zu tragbarem Stoff zu verarbeiten, werden sie eingeweicht und zu einem Brei aus Wasser und einem ungiftigen Lösehilfsstoff verarbeitet. Daraufhin lassen sie sich zu nutzbaren Fasern spinnen. Das Material ist sehr beliebt, wenn es um nachwachsende Rohstoffe geht, da das Verfahren einen zu 99% geschlossenen Produktions-Kreislauf hat. Der Lösehilfsstoff kann zum Großteil wiederverwendet werden und wird nicht verschwendet. Lyocell ist auch biologisch abbaubar. Wenn man also ein T-Shirt aus dem Material in den Wald werfen würde, würde es mit der Zeit einfach kompostiert werden – ohne schlechte Auswirkungen auf die Natur. Das Verfahren ist sogar so umweltfreundlich, dass die Europäische Union die Herstellerfirma mit dem Europäischen Umweltpreis ausgezeichnet hat. Lyocell wird sogar schon in den großen Modehäusern verwendet. Unter anderem haben schon H&M, About You und Zalando den Stoff oder Stoffe, in denen Lyocell enthalten ist, zu normalen Preisen im Sortiment.

 

SeaCell – Von Algen zu Kleidung

SeaCell ist eine weitere Faser, die komplett aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Sie wird genauso produziert wie Lyocell; als Teil eines fast komplett geschlossenen Produktions-Kreislaufs mit Wasser und Lösehilfsstoffen, allerdings ist der Rohstoff, aus dem sie hauptsächlich gewonnen wird, nicht Holz: Nein, SeaCell besteht aus Algen. Die Algen, aus denen SeaCell gemacht wird, kommen aus Island. Dort werden diese von kleinen Booten aus geerntet, allerdings nur der Teil, den die Alge nicht braucht, um weiter wachsen zu können – ähnlich, wie wenn man Gras mäht. Die Wurzeln und ein Teil der Grashalme bleiben intakt, und so kommt der Rasen immer wieder. Nach dem Ernten werden die Algen zerkleinert und zermahlen, mit Cellulose vermengt (also dem Stoff, aus dem Lyocell besteht) und über das gleiche Verfahren zu Fasern verarbeitet.

Abgesehen von ihrer Nachhaltig- und Umweltfreundlichkeit hat die SeaCell-Faser allerdings noch einen weiteren Nutzen: Die verwendeten Algen, und damit auch die Kleidung aus SeaCell, sind sogar gut für die Haut. Leider ist SeaCell bislang auch deutlich teurer als Lyocell und noch nicht in der Alltagsmode vertreten. Man findet es bisher nur bei speziellen Händler*innen – für viel Geld. Allerdings: Was nicht ist, kann ja noch werden, und es ist gut zu wissen, dass es Alternativen zu umweltschädigenden Fasern gibt.

 

Ein Blick nach vorne

Eventuell wird es irgendwann Modedesigner*innen geben, die sich rein auf das Design von Kleidung aus Cellulose fokussieren. Vielleicht werden Wissenschaftler*innen weiteren Nutzen dieser Fasern erkennen – es stellt sich unter anderem die Frage, ob SeaCell durch seine zellregenerierende Wirkung vielleicht bei Menschen mit Hauterkrankungen eingesetzt werden könnte. Und auch du kannst helfen, auf diesem spannenden Gebiet voranzukommen! Es gibt nämlich einige Berufe, die dazu beitragen können, dass in Zukunft mehr Klamotten aus nachwachsenden Rohstoffen in den Läden zu finden sind und Abnehmer*innen finden.

Jobs für die Zukunft

Es wird in Zukunft eine Menge neue Betätigungsfelder auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe geben. Falls auch du dich für diese und generell eine Wirtschaft mit mehr Nachhaltigkeit interessiert, hätten wir da was für dich:

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Modedesigner*in

… als Modedesigner*in (Studium oder Ausbildung) gestaltest du Kleidung für große Fashion-Konzerne, aber auch für kleine Mode-Labels. Du lässt dich im Idealfall von neuen, nachhaltigeren Materialien inspirieren und konzipierst deine nächste Modelinie. Mit Kollektionen aus nachwachsenden Rohstoffen könntest du das Thema nachhaltige Mode mitten in die Gesellschaft tragen.

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Wissenschaftler*in

…. als Wissenschaftler*in forschst du in allen möglichen Bereichen. Mittels wissenschaftlicher Methoden werten Wissenschaftler*innen Daten aus, führen Versuche durch und suchen nach neuen Erkenntnissen. Forscher*innen beispielsweise in den Bereichen „Forschung für Nachhaltigkeit“ oder „Ressourcen“, aber auch in Grundlagenbereichen wie Biologie oder Biochemie bringen uns auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Lebensstil also voran.

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PR-Manager*in

… als PR-Manager*in hast du vielfältige Aufgaben. Für Unternehmen oder Umweltverbände gehen PR-Manager*innen in die Öffentlichkeit und sprechen mit Journalist*innen und Politiker*innen, um sie über ihre Produkte oder Anliegen zu informieren. Viele Menschen wissen noch gar nichts über nachwachsende Rohstoffe – PR-Manager*innen können dabei helfen, deren Wissen zu erweitern.

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#wächstwieder

Quiz Nachwachsende Rohstoffe

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Was sind nachwachsende Rohstoffe?

Quelle: Pexels/Pixabay
Richtig! Falsch!

Nachwachsende Rohstoffe sind weder Basis für Tierfutter noch für Nahrung. Sie werden für die Herstellung von Energie sowie zur Herstellung von verschiedenen Dingen verwendet und können so Rohstoffe wie Kohle, Öl, Gas, aber zum Beispiel auch klassische Baustoffe ersetzen. Laut einer Studie, wurden im Jahr 2020 in Deutschland auf 234.000 Hektar Pflanzen zur stofflichen Nutzung angebaut, das ist eine Fläche so groß wie das Saarland. Auf 2,34 Millionen Hektar wuchsen Pflanzen zur Energiegewinnung, das ist eine Fläche etwas größer als Mecklenburg-Vorpommern.

Bislang werden Autos auch zum größten Teil aus herkömmlichen Rohstoffen hergestellt, aber das ändert sich allmählich. Für welche Teile sind nachwachsende Rohstoffe besonders interessant?

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Richtig! Falsch!

Bei einigen Autoherstellern werden Flachs, Hanf, Kenaf, Papier, Zellulose, Baumwolle und Holz in der Serienfertigung der Fahrzeuge verwendet. Besonders beliebt sind diese Baustoffe in der Herstellung von Tür- und Seitenverkleidung, Ladeböden und Bodenbeläge. Porsche experimentiert aber auch schon mit Karosserieteilen aus Flachs.

Was sind die beiden verbreitetsten Pflanzen zur Energiegewinnung in Deutschland?

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Richtig! Falsch!

Mais und Raps sind die aktuell wichtigsten Pflanzen zur Energiegewinnung in Deutschland. Die Bedeutung von Mais und Raps im Kampf gegen den Klimawandel ist aber nicht unumstritten: Sie binden zwar CO2, jedoch sind die Pflanzen sehr kurzlebig und werden schnell weiterverwertet, wodurch wieder neues CO2 entsteht. Nicht jeder nachwachsende Rohstoff ist also automatisch ein super Klimaretter. Langfristig ist es für die Reduktion von CO2 in der Atmosphäre besser, auf langlebige Wälder statt auf kurzlebige Mais- oder Rapsfelder zu setzen. Zumal diese riesigen Monokulturen auch nicht gut für die Artenvielfalt sind.

Welches Land der Europäischen Union weist den meisten Holzvorrat auf?

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Richtig! Falsch!

3,9 Milliarden Kubikmeter Holz wachsen in Deutschlands Wäldern. Damit haben wir laut einer Studie den größten Holzvorrat der Europäischen Union. Mit dieser Menge an Holz könnte man rechnerisch einen drei mal drei Meter massiven Holzturm bis zum Mond bauen.

Nachwachsende Rohstoffe sind die Grundlage für eine Vielzahl von Baustoffen. Welche der folgenden Aussagen zu dieser Thematik ist falsch?

Quelle: Pexels/Clem Onojeghuo
Richtig! Falsch!

Wer auch beim Renovieren nachhaltig leben möchte, kann auf Naturfarben zurückgreifen. Die Pigmente in den Lacken, Ölen, Wandfarben und Co. sind Erd- und Mineralpigmente, aber auch Tier- und Pflanzenfarbstoffe. Die Bindemittel bestehen zum Beispiel aus Leinöl oder aber aus Kasein, das aus Milch gewonnen wird.

Was sind die Vorteile von Wasch- und Reinigungsmitteln aus nachwachsenden Rohstoffen?

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Richtig! Falsch!

Anders als einige herkömmliche Wasch- und Reinigungsmittel werden solche aus nachwachsenden Rohstoffen vollständig abgebaut. Und nicht nur das! Sie sind auch sehr hautverträglich. Rund ein Viertel der pflanzlichen Öle und Fette, die die deutsche Industrie benötigt, werden zu Wasch- und Reinigungsmittel verarbeitet. Man findet sie unter anderem in Shampoos, Duschbädern und Spülmittel.

Auch zur Herstellung von Arzneimitteln und Kosmetika sind die nachwachsenden Rohstoffe super wichtig und bringen einige Vorteile mit sich. Welche Teile und Stoffe der Pflanzen werden gerne für Naturkosmetika benutzt?

Quelle: Pexels/Karolina Grabowska
Richtig! Falsch!

Natürliche Duft- und Aromastoffe spielen bei der Herstellung von Naturkosmetik eine große Rolle. Aber auch aus Pflanzen gewonnene Hilfs- und Zusatzstoffe wie Zucker, Fette und Öle werden gerne genutzt. Einige weitere Stoffe auf pflanzlicher Basis verbessern die Aufnahme der Wirkstoffe in z.B. Cremes.

Ein Großteil unserer Kleidung wird schon immer aus nachwachsenden Rohstoffen - nämlich aus Naturfasern - hergestellt. Welche ist die am meisten genutzte pflanzliche Faser für Textilien?

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Richtig! Falsch!

Die am meisten genutzte pflanzliche Faser ist Baumwolle. Doch der Anbau- und Herstellungsprozess der beliebten Baumwollfasern ist problematisch, denn nicht alles, was nachwächst, ist automatisch gut. Der Baumwollanbau verbraucht Unmengen an Wasser und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Die Baumwollbauern, die zu 99 Prozent aus Entwicklungsländern kommen, werden dadurch oft krank und sie bekommen für ihre Arbeit nur einen Hungerlohn. Leider ist Kinder- und Zwangsarbeit auf Baumwollplantagen auch nicht selten.

Welche Pflanzen gehören zu den mengenmäßig wichtigsten Arzneipflanzen?

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Richtig! Falsch!

Pfefferminze, Kamille und Fenchel gehören – neben ein paar anderen – zu den wichtigsten Arzneipflanzen. In Deutschland bauen insgesamt 750 Betriebe auf ca. 12.000 Hektar etwa 120 verschiedene Arzneipflanzen-Arten an.

Sogenannte fossile Energieträger sind nicht unendlich verfügbar, denn sie wachsen nicht nach. Außerdem entsteht jede Menge klimaschädliches Kohlendioxid bei ihrer Verbrennung. Welche Rohstoffe bezeichnet man als "fossil"?

Quelle: Pexels/Loïc Manegarium
Richtig! Falsch!

Man kann nicht genau absehen, wann Rohstoffe wie Erdöl und -gas und Kohle zur Neige gehen, aber fest steht: das werden sie irgendwann. Zu einer nachhaltigen Energieversorgung gehört, dass die Rohstoffe langfristig vorhanden und bezahlbar sind. Aber auch, dass bei ihrer Nutzung möglichst kein klimaschädliches CO2 entsteht. Nachwachsenden Rohstoffe sind sozusagen "unendlich" verfügbar. Bei ihrer Verbrennung entsteht zwar auch CO2, aber das haben die Pflanzen während ihres Wachstums der Atmosphäre entzogen.

Quiz Nachwachsende Rohstoffe
Du hast dein Bestes gegeben, aber mal ehrlich: da ist eindeutig noch Luft nach oben! Um aktiv etwas für den Umwelt- und Klimaschutz zu tun, sollte man Bescheid wissen. Aber kein Problem! Hier kannst du dich informieren und das nächste Mal mehr mit deinem Wissen punkten.
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Quelle: Pexels/Dương Nhân
#wächstwieder

Darauf kannst du bauen

Quelle: Christina Juchem

Christina Juchem, 30 years

Quelle: Pexels/Karolina Grabowska
#wächstwieder

Rundum erneuerbar

Quelle: Lou Antoinette Godvliet

Lou, 27 years

Quelle: Pexels/Wendy Wie
#wächstwieder

Grün auf die Ohren

Quelle: Sarah Meyer

Sarah Meyer, 26 years

Quelle: Pexels/Abby Chung
#MASTERPLAN

Studium, Studieren, Stillen?

Quelle: Marie-Kristin Baumann

Marie-Kristin, 27 Jahre

#kaffeetrinkerin #kinderkrankenschwester #foodlover

Rund um Anfang Oktober finden in Deutschland immer zwei Dinge statt: Zum einen der Start in ein neues Semester, zum anderen findet in der 40. Kalenderwoche (4.10.-10.10.2021) jedes Jahr in Deutschland die Weltstillwoche statt. Eine schöne Parallele: Für Studierende ist ein neues Semester immer auch ein neuer Abschnitt. Man ist oft erholt, hat wieder mehr Motivation fürs Studium – man startet neu durch, mit neuen Vorsätzen und neuer Kraft. Für die ganz Kleinen beginnt ab der Geburt auch ein neues Kapitel, der allererste Lebensabschnitt ex utero. Stillen spielt für die Neugeborenen eine sehr große Rolle, und natürlich genauso für die frisch gebackenen Eltern.

Was haben aber Studierende mit der Weltstillwoche zu tun? Das lest ihr in diesem Artikel…

 

In Zahlen: Wie Deutschland stillt

Quelle: Pexels/RODNAE ProductionsIn Deutschland werden jedes Jahr circa 800.000 Babys zur Welt gebracht. Bevor die Kinder zur Welt kommen, haben die meisten werdenden Mütter (90%) die Absicht, ihr Kind zu stillen. 87% der Frauen beginnen dann tatsächlich damit. Die Dauer, wie lange ein Kind dann gestillt wird, variiert jedoch und nimmt mit zunehmendem Alter des Kindes immer mehr ab. Bis zum vollendeten vierten Monat stillen nur noch 40% der Mütter voll, und bis zum Ende des sechsten Monats sogar nur noch 13%. Dabei liegt die Empfehlung der WHO bei sechs Monaten ausschließlichen Stillens; die Handlungsempfehlung in Deutschland greift das auf, und empfiehlt ausschließliches Stillen bis zu 6 Monaten, mindestens jedoch volle vier Monate [1].

 

Das hat auch einen guten Grund: Gesundheit für Zwei

Quelle: Pexels/Karolina GrabowskaDie Wissenschaft ist sich einig, Stillen gilt als optimale erste Ernährungsform für Säuglinge, was gleichzeitig mit deutlichen gesundheitlichen Vorteilen einhergeht [1]. Gestillte Kinder sterben seltener am „plötzlichen Kindstod“, erkranken innerhalb der ersten Lebensjahre weniger an Durchfall- und Atemwegserkrankungen, sowie Mittelohrentzündungen. Außerdem haben sie ein geringeres Risiko, später einmal Adipositas und Diabetes Typ 2 zu entwickeln [1; vgl. auch 5;6]

Es profitiert jedoch nicht nur das Kind vom Stillen, sondern auch die Mutter. In der ersten Zeit nach der Geburt hilft das Stillen (durch Hormonausschüttung) dabei, dass sich der Uterus zügig zurückbildet. Genau wie das Baby hat auch die Mutter durch das Stillen ein geringeres Risiko, einmal an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Stillen mit einem geringeren Risiko für Eierstockkrebs und Brustkrebs einhergeht.

Nicht zuletzt ist das Stillen eine gute Möglichkeit, die Bindung zwischen Mutter und Kind aufzubauen und zu stärken. Generell ist das Stillen und damit der Kontakt zur Mutter und umgekehrt von großer Bedeutung für die psychologische und kognitive Entwicklung des Kindes.

Quelle: Pexels/Sarah Chai

Aus weiteren Gründen bleibt das Stillen als erste Ernährungsform unschlagbar: Es ist kostenlos, die Mutter hat die Nahrung immer dabei, sie ist stets wohl temperiert und hygienisch einwandfrei [3].

Bei all diesen Vorteilen bleibt nun die Frage: Aus welchen Gründen stillen nicht mehr Mütter für den empfohlenen Zeitraum?

 

Eine Nationale Strategie muss her

Diesen Zustand hat auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wahrgenommen, und förderte von 2017 bis 2019 das internationale Forschungsvorhaben „Becoming Breastfeeding Friendly“ (BBF). Dadurch wurde die Notwendigkeit für eine Nationale Strategie zur Stillförderung offengelegt. In einem zweiten Schritt wurde dann das Max-Rubner-Institut für Kinderernährung damit beauftragt, einen partizipativen Prozess zur Entwicklung von Maßnahmen zu leiten. Mehr als 150 Akteure und Akteurinnen des Fachgebiets bildeten Arbeitsgruppen, um Maßnahmen zur Stillförderung und für die Entwicklung eines stillfreundlichen Deutschlands abzuleiten. Aufbauend auf den Ergebnissen wurde die Nationale Strategie zur Stillförderung formuliert.

 

Stillen geht alle was an – aber was?

„Inwiefern ist das für junge Studierende relevant?“, könnte man sich fragen. Immerhin haben nur rund 6 Prozent aller Studierenden mindestens ein Kind [2]. Auf die Frage nach der Relevanz gibt es einige Antworten. Die Nationale Strategie hält mehrere Faktoren fest, die sich essenziell auf die Stillförderung auswirken. Das sind unter anderem auf der sozialen Ebene „Gesellschaftliche Akzeptanz“ und „Beruf und Arbeitsplatz“, und auf der strukturellen Ebene „Information und Bildung“.

Quelle: Pexels/William Fortunato

Die Relevanz für Studierende erklärt sich daher so: Die Universität oder die Hochschule bildet somit einen Arbeits- und Ausbildungsplatz für Mitarbeiter*innen und Student*innen. Wenn also ein*e Mitarbeiter*in oder Student*in ein Kind bekommt, ist die Universität der Ort, an dem sie viel Zeit verbringt, und dort auch ihr Kind stillen können sollte. Das gilt insbesondere für die Student*innen, die das Stillen in den Unialltag wie Vorlesungen, Seminare und Nebenjobs integrieren müssen.

Zum anderen ist der Ort des Lernens eine Lebenswelt, wie das fünfte Sozialgesetzbuch es in Paragraph 20a, Abschnitt 1 definiert:

„Lebenswelten […] sind für die Gesundheit bedeutsame, abgrenzbare soziale Systeme insbesondere des Wohnens, des Lernens, des Studierens, der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der Freizeitgestaltung einschließlich des Sports.“

Quelle: Pexels/RODNAE ProductionsWo wir leben, da ist Gesellschaft. Nur wo Gesellschaft ist, kann auch gesellschaftliche Akzeptanz entstehen und gefördert werden. In der Schlussfolge ist die Universität oder die Hochschule ein wichtiger Ort, um die gesellschaftliche Akzeptanz des Stillens unter Studierenden, aber auch unter Mitarbeitenden zu fördern.

Während viele Universitäten und Hochschulen mittlerweile Beratungsstellen oder -angebote für werdende Eltern bzw. Studierende mit Kind anbieten (Familienservice, Gleichstellungsbeauftragte etc.), ist beispielweise die Universität Passau noch einen Schritt weitergegangen. Sie wurde von pro familia Niederbayern e. V. als stillfreundlicher Ort ausgezeichnet.

Was macht stillfreundliche Orte aus?

Zu den Kriterien für eine entsprechende Zertifizierung gehören u.a.:

  • barrierefreie Zugänglichkeit der Orte (besonders für Kinderwägen)
  • Sitzmöglichkeiten zum Stillen
  • frei zugängliche Toiletten mit Wickeltischen
  • kostenfreie Möglichkeiten für Stillende, Trinken zu erhalten.
  • Unterstützung und Hilfe, wenn ablehnendes Verhalten erfahren wird [4].

Zum Schluss…

Stillen oder nicht stillen geht nicht nur Studierende mit Kind etwas an. (Mit-)Studierende (ohne Kinder) und Angestellte können maßgeblich zur Gestaltung der Atmosphäre am Lern- und Lebensort Hochschule/Universität beitragen.  Natürlich gibt es so viel mehr Faktoren, die die Wahl der Säuglingsernährung beeinflussen. Durch die Vorteile des Stillens, die in diesem Artikel genannt werden, sollen auch keine Menschen diskriminiert oder verurteilt werden, welche sich dazu entscheiden, nicht zu stillen oder schlichtweg keine Wahl haben. Die Gründe sind oft komplex, und wir wollen nichts pauschalisieren.

Dieser Artikel plädiert vielmehr für eine zugewandte Akzeptanz. Genauso wie das Trinken mit dem Milch-Fläschchen in der Öffentlichkeit toleriert und akzeptiert wird, sollte auch das natürliche Stillen individuell und kollektiv akzeptiert und gefördert werden.

[1] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/nationale-stillstrategie.pdf?__blob=publicationFile&v=3 zuletzt abgerufen am 04.08.2021

[2] Middendorff, E., Apolinarski, B., Becker, K., Bornkessel, P., Brandt, T., Heißenberg, S. & Poskowsky, J. (2017). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016. Zusammenfassung zur 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks – durchgeführt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). (http://www.sozialerhebung.de/download/21/Soz21_zusammenfassung.pdf) zuletzt abgerufen am 04.08.2021

[3] https://www.profamilia-niederbayern.de/prostillen zuletzt abgerufen am 04.08.2021

[4] https://www.uni-passau.de/diversity-gleichstellung/aktuelles/meldung/detail/universitaet-passau-ist-stillfreundlicher-ort/ zuletzt abgerufen am 04.08.2021

[5] https://www.publish.csiro.au/nb/pdf/NB05011 zuletzt abgerufen am 04.08.2021

[6] https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0038-1657766.pdf zuletzt abgerufen am 04.08.2021

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